Vorbemerkung
Microsoft schreibt auf der Seite, dass es sich bei der Consumer Preview um eine noch nicht fertige Software handelt und diese ohne Vorankündigung geändert werden könne. Somit darf man gespannt sein, welche Accessibility-Features es in die finale Version von Windows 8 schaffen werden.
Installation
In Ermangelung eines Test-Systems wird der Test mit einer Installation der Consumer Preview im VMWare-Player 4.0.1 auf einem Windows-7-System durchgeführt.
Bei der Installation werden nur noch der Produkte-Key, die Partition oder Festplatte für die Installation, der Computer-Name und die Informationen für das Anlegen eines Benutzer-Kontos benötigt. Wer eine Microsoft Live-ID besitzt, kann diese zum Anmelden benutzen. Die Installation selber geht relativ zügig vonstatten. Der Anwender wird auch nicht mit viel Information belästigt, die meiste Zeit ist während der Installation ein schwarzer Bildschirm mit einem Fisch auf blauem Hintergrund zu sehen.
Zum ersten Mal ist es möglich, Windows teilweise mit Hilfe von Narrator, dem Screen-Reader, der schon seit einigen Versionen in Windows enthalten ist, zu installieren.
Leider funktioniert der Screen-Reader erst nachdem man den Produkte-Key, eine 25-stellige Nummer, eingegeben, die Installationsart (Update oder benutzerdefiniert) angegeben, die Partition ausgewählt, und die eigentliche Installation gestartet hat.
Für einen Anwender, der vollständig auf einen Screen-Reader angewiesen ist, ist es somit wahrscheinlich möglich, eine Update-Installation durchzuführen, da man hier die Installation unter dem bestehenden Windows 7 anstossen kann und vermutlich der Screen-Reader des alten Betriebssystems noch solange läuft, bis der Screen-Reader des Installationsprogramms gestartet werden kann.
Eine Neuinstallation ist aber mit Hilfe des Screen-Readers für einen voll blinden Anwender ohne sehende Hilfe nicht selbständig möglich. Leider sagt Narrator während der Installation dann auch nur das gerade fokussierte Element an, so dass beim Anwender ein mulmiges Gefühl aufkommt während der Installation, da er nicht sicher ist, was auf dem Bildschirm steht und welche Optionen es sonst noch geben würde. Die Testperson würde es begrüssen, wenn der Screen-Reader während der Installation automatisch, wie unter Ubuntu, den ganzen Bildschirm vorlesen würde oder wenigstens nach dem Start ansagen würde, wie man den Bildschirm auslesen kann. Ferner wäre es schön, wenn der Screen-Reader bereits zu Beginn der Installation zur Verfügung stehen würde, sodass auch ein Screen-Reader-Anwender die Möglichkeit einer Neuinstallation hätte.
Neben dem Screen-Reader stehen noch folgende Accessibility-Features zur Verfügung
- Bildschirmluppe
- Bildschirmtastatur
- Hoher Kontrast
- Einrastfunktion
- Tastaturverzögerung
Diese Funktionen stehen auch erst zur Verfügung, wenn der Screen-Reader zur Verfügung steht, da erst dann die Schaltfläche mit den Accessibility-Features eingeblendet wird.
Die weiteren Accessibility-Features werden später näher vorgestellt.
Die Oberfläche
Da ich mich eigentlich auf die Accessibility von Windows 8 konzentrieren möchte, gehe ich nur kurz auf die Oberfläche von Windows 8 ein. Im Prinzip gibt es zwei Oberflächen, eine mit den Windows-Apps, die sogenannte Metro-Oberfläche, und den Desktop, wie man ihn schon von Windows 7 her kennt. Nur ist unter Windows 8 das alt bekannte Startmenü, das einen recht einfachen Zugang zu den Programmen geboten hat, verschwunden. Es gibt zwar noch etwas Ähnliches wie das Startmenü, nur bietet es nicht mehr Zugang zu allen Programmen.
Neue Tastenkombinationen
Zudem hat Microsoft zur Freude aller Tastatur-Nutzer neue Tastenkombinationen eingeführt. Diese kann man z. B im Blog von Tim Bormann nachschlagen. Ich empfehle dringend, dass man sich als Tastatur-Nutzer Kenntnisse über die neuen Tastenkombinationen aneignet.
Arbeiten mit Windows 8
Ich möchte gleich mal einige Dinge vorwegnehmen: Um das Umlernen kommt niemand herum, egal ob man die Maus oder die Tastatur bevorzugt.
Leider wird der Screen-Reader nach der Installation, die in meinem Fall mit der Unterstützung dieses Hilfsmittel erfolgte, nicht gestartet, so dass der blinde Anwender erst einmal vor einem stummen System sitzt. Da auf der schweizerdeutschen Tastatur die Tastenkombination Windows-Taste+Alt+Umgekehrter Schrägstrich (auch bekannt als Back Shlash) nicht zu funktionieren scheint, galt es erst mal den Narrator zu suchen.
Nach dem Anmelden kommt man in die Metro-Oberfläche und muss dort die App «Desktop » anklicken, mit der Tastatur gelangt man mit den Pfeiltasten dort hin, eine Tastenkombination, um den Desktop direkt zu aktivieren, habe ich bis dahin noch nicht gefunden.
Da es das Startmenü als solches nicht mehr gibt, sucht man am besten mit Windows-Taste+F nach der gewünschten App, Anwendungen wie der Narrator und Wordpad zählen bei Microsotft auch zu den Apps.
Narrator
Dabei müssen Screen-Reader-Anwender beachten, dass es neben der Suche nach den Apps auch möglich ist, nach Dateien und Einstellungen zu suchen. Da der Narrator nur das Eingabefeld für die Suche vorliest, ist es am Anfang verwirrend, wenn kein Suchergebnis gefunden wird. Zudem wird das Suchergebnis nicht automatisch vom Screen-Reader vorgelesen, so dass man erst mit der Tabulator-Taste den Bildschirm absuchen muss, bis man die Ergebnisse findet. Zu guter Letzt darf man die Eingabetaste drücken, um die Anwendung zu starten.
Damit man einen Eindruck erhält, wie Narrator klingt und was vorgelesen wird, im Folgenden eine kurze Aufnahme im MP3-Format. Das Hörbeispiel wird im Browser abgespielt:
Hörbeispiel Win 8, MP3, ca. 2.5 MB
Eine Unterstützung von Braille-Zeilen, wie es sie unter Mac OS gibt, scheint in Windows 8 nicht vorgesehen zu sein.
Bildschirmlupe
Als nächstes Feature möchte ich nun die Bildschirmlupe vorstellen: Auch die Bildschirmlupe startet man am besten über die Suchfunktion mit Windows-Taste+F. Leider habe ich auch hier noch keine Tastenkombination gefunden. Die Hilfe gibt nicht viel her in dieser Hinsicht.
Im Dialog der Bildschirmlupe lässt sich mit den Plus- und Minus-Symbolen der Vergrösserungsfaktor verändern, unter Ansicht lässt sich die Darstellung der Lupe einstellen. Man kann zwischen drei Modi wählen: Vollbild, Lupe, angedockt und Vorschau im Vollbild-Modus.
Im Vollbild-Modus wird der ganze Bildschirm vergrössert, wie man es z. B auch von ZoomText kennt. Die Lupe verhält sich wie ein Vergrösserungsglas, das dem Mauszeiger folgt und das die nächste Umgebung des Mauszeigers vergrössert. Beim Modus „angedockt“ wird der Bildschirm geteilt und am oberen Rand ein Fenster mit der Vergrösserung angedockt, während der Rest des Bildschirms in normaler Grösse angezeigt wird. Bei Vorschau im Vollbild-Modus wird die Vergrösserung abgeschaltet, dafür wird der Teil, der gerade vergrössert würde, hervorgehoben. Dies dient der Orientierung, wenn man diese wegen der Vergrösserung verloren hat.
Es empfiehlt sich dringend, nach dem ersten Start der Bildschirmlupe unverzüglich in die Optionen zu gehen und dort die Optionen «Dem Tastaturfokus folgen» und «Für die Bildschirmlupe der Texteinfügemarke folgen“ zu aktivieren, da sonst keine Verfolgung des Fokus durch die Bildschirmlupe stattfindet und der Anwender ständig beim Arbeiten die Bildschirmlupe neu fokussieren muss, damit er weiss, was er gerade tut. Warum diese beiden wichtigen Optionen standardmässig deaktiviert sind, kann ich nicht nachvollziehen. Ohne Aktivierung dieser beiden Optionen ist die Bildschirmlupe nahezu unbrauchbar.
Die Farbinvertierung ist für blendungsempfindliche Menschen gedacht, damit diese nicht mit dem hellen Hintergrund arbeiten müssen. So weit mir bekannt ist, lässt sich diese nur aktivieren bzw. deaktivieren. Eine Anpassung der Farben, wie unter ZoomText, ist nicht möglich.
Bildschirmtastatur
Die Bildschirmtastatur dient Menschen, die mit einer sogenannten Kopfmaus oder einem andern alternativen Eingabegerät arbeiten. Eine Auswahl solcher alternativen Eingabegeräte finden Sie auf der Seite der Fondation Suisse pour les Téléthèses (FST). Mit der Bildschirmtastatur ist es möglich, Text zu schreiben oder den PC zu bedienen, indem man auf der Bildschirmtastatur die entsprechenden Tasten mit der Maus oder einem alternativen Eingabegerät wie der Kopfmaus anklickt.
Die Bildschirmtastatur verfügt, wie schon diejenige in Windows 7, über eine Wortvervollständigungsfunktion. Sobald man beginnt, ein Wort zu schreiben, erscheinen am oberen Rand der Tastatur einige mögliche Wörter als Vorschläge und sobald das richtige Wort erscheint, lässt es sich anklicken und in den Text einfügen.
Leider ist es nicht möglich, die Bildschirmtastatur am oberen oder am untern Bildschirmrand anzudocken, so dass diese nicht ständig Teile von Programmen überdeckt und ständig auf dem Desktop verschoben werden muss.
Es ist auch nicht möglich, die Tasten anzuklicken, in dem man den Mauszeiger eine Weile darauf unbeweglich stehen lässt. So weit ich weiss, gibt es diese Funktion bei Bildschirmtastaturen anderer Anbieter.
Hoher Kontrast
Die Funktion „Hoher Kontrast“ ist für sehbehinderte Menschen, welche einen erhöhten Kontrast brauchen, um am Bildschirm etwas zu sehen. Diese Funktion wird am einfachsten auch über die bereits bekannte Suchfunktion gesucht, und zwar befindet sich diese unter Einstellungen.
Zur Zeit scheint es aber noch einige Probleme mit dem Aktivieren beziehungsweise Deaktivieren dieser Funktion zu geben.
Einrastfunktion
Die Einrastfunktion dient dazu, dass Menschen mit einer motorischen Einschränkung der Hände nicht zwei oder mehr Tasten gleichzeitig drücken müssen, sondern die benötigten Tasten nacheinander drücken können, z. B. für CTRL+V zuerst die Taste CTRL und erst danach die Taste «V».
Anschlagsverzögerung
Die Anschlagverzögerung dient dazu, dass Menschen mit einer motorischen Einschränkung der Hände nicht versehendlich mehrmals die gleiche Taste drücken, weil sie zu wenig schnell die Taste loslassen können.
Leider ist es mir nicht gelungen die beiden Funktionen zu aktivieren. Sobald ich diese aktiviert habe, lässt sich Windows 8 in der mir zur Verfügung stehenden Consumer Previewv mit allen Update nicht mehr per Tastatur steuern. Mir ist noch nicht klar, ob hier die Tatsache, dass ich Windows 8 in VMWare Player installiert habe und nicht auf physikalischer Hardware, eine Rolle spielt.
Downloads
Nachtrag
Nach dem ich den Erfahrungsbericht geschrieben habe, bin ich zufällig auf einen Podcast des Screeen-Reader-Herrsteller GW Micro gestossen, dem Hersteller von Vindows-Eys. In diesem Potcast wird Window 8 mit Hilfe einer nicht öffentlichen Entwickler-Version von Windows-Eys vorgestellt. Beim Podcast handelt es sich um ein Mitschnitt einer Präsentation anlässlich der CSUN 2012 , der 27th Annual International Technology and Persons with Disabilities Conference. Die CSUN ist sicher eine der weltweit bekanntesten Veranstaltungen ihrer Art.
Nette Seite. Danke.