Anlässlich der Feier zum 20-Jahr-Jubiläum von «Zugang für alle» sind einige Fragen aufgekommen, die wir hier gerne in einer Reihe öffentlich beantworten.
European Accessibility Act EAA
In den letzten Jahren wurde in Europa ein Vorhaben initiiert, um Barrierefreiheitsanforderungen voranzubringen und eine Harmonisierung von entsprechenden Rechtsvorschriften in den Mitgliedstaaten für ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarkt zu realisieren. Der «European Accessibility Act EAA» ist das Ergebnis dieser Bemühungen (EU-Richtlinie 2019/882).
Was fordert der EAA?
In der EU leben rund 80 Millionen Menschen mit einer Behinderung. Accessibility ist für sie eine wichtige Voraussetzung, um im digitalen Raum gleichberechtigt teilhaben zu können. Der EAA verlangt zukünftig folgende Produkte und Dienstleistungen barrierefrei zu gestalten:
- Computer und Betriebssysteme
- Geldautomaten, Fahrausweis- und Check-in-Automaten
- Smartphones
- Fernsehgeräte für digitale Fernsehdienste
- Telefondienste und dazugehörige Geräte
- Zugang zu audiovisuellen Mediendiensten wie Fernsehsendungen und damit verbundenen Verbraucherendgeräten
- Dienstleistungen im Bereich Flug-, Bus-, Bahn- und Schiffsverkehr
- Bankdienstleistungen
- E-Books
- E-Commerce.
Fristen des EAA
Bis am 28. Juni 2022 müssen alle Mitgliedstaaten die rechtlichen Grundlagen für den EAA schaffen und ab 2025 sind diese anzuwenden. Die Richtung ist klar: Der digitale Raum soll barrierefreier werden und im EU-Raum tätige Unternehmen müssen damit rechnen, dass einklagbare Verpflichtungen auf sie zukommen. Da viele Firmen und Organisationen in der Schweiz in Europa aktiv sind und/oder Kunden, Geschäftsbeziehungen im EU-Raum pflegen, dürfte der EAA indirekt auch Einfluss auf die Schweiz ausüben.
Was der EAA für schweizerische Unternehmungen bedeutet
«Zugang für alle» weist bereits seit einiger Zeit auf diese Herausforderung hin. Wir empfehlen diese als Chance zu erkennen, um das Thema Accessibility aufzunehmen. In der Schweiz sind 20% der Bevölkerung von einer Behinderung betroffen. Ältere Menschen profitieren ebenfalls von Barrierefreiheit, da mit zunehmendem Alter die Seh-und Hörleistung abnimmt genauso wie die kognitiven Fähigkeiten zurückgehen. Berücksichtigt man zusätzlich noch temporäre Behinderungen wie beispielsweise schlechte Lichtverhältnisse oder einen gebrochenen Arm als motorische Einschränkung, nützt eine bessere Zugänglichkeit im Web uns allen früher oder später. Mit der Schweizer Accessibility-Studie Onlineshops haben wir den Handlungsbedarf im E-Commerce in der Schweiz exemplarisch aufgezeigt. Nur ein Viertel der getesteten Onlineshops war gut oder sehr gut für Menschen mit einer Behinderung bedienbar. Das Potenzial, mit Accessibility mehr Kunden zu erreichen ist, entsprechend hoch. Barrieren führen oftmals zu Kaufabbrüchen. Accessibility ist daher ein top-relevanter Faktor, die Customer Experience zu verbessern und die Conversion Rate plus die SEO zu erhöhen, aber insbesondere auch gesellschaftliche Verantwortung wahrzunehmen und Corporate Social Responsibility zu demonstrieren. Es gilt die Gelegenheit beim Schopf zu packen und mit der Realisierung von Barrierefreiheit vorausschauend zu agieren.
Es ist wirklich inspirierend zu sehen, wie der European Accessibility Act (EAA) Barrieren abbaut und allen Menschen, unabhängig von ihren Fähigkeiten, den Zugang zu digitalen Produkten und Dienstleistungen ermöglicht. Besonders hervorheben möchte ich die Bedeutung von barrierefreien Webseiten und Online-Shops.
Dies zeigt, wie wichtig es ist, dass Unternehmen über die bloße Einhaltung von Vorschriften hinausdenken und erkennen, dass sie damit tatsächlich ihre Kundenerfahrung verbessern und ihre Zielgruppe erweitern können. Wie sehen Sie die Umsetzung dieser Richtlinien in der Praxis, vor allem bei kleineren Unternehmen, die möglicherweise nicht über die Ressourcen verfügen, um diese Anpassungen schnell vorzunehmen?