Die Anbieter solcher Overlays versprechen das Blaue vom Himmel, während Accessibility Professionals sich stark gegen den Nutzen eines Overlays aussprechen. In einem Overlay Fact Sheet haben Accessibility-Expert:innen aus aller Welt das Thema aus verschiedenen Blickwinkeln erleuchtet und Fakten zusammengetragen. Unsere Kund:innen fragen uns immer wieder, ob sie so ein Overlay einsetzen sollen. Auch wir sind der Meinung, dass solche Overlays mehr schaden als nützen. Folgende Gründe sprechen gegen den Einsatz solcher Overlays.
Die Websites der Anbieter sind nicht WCAG-konform
Es gibt unterdessen fast zwei Dutzend solche Overlay-Anbieter. Manche vertreiben White-Label-Lösungen unter eigenem Namen. Es ist uns deshalb nicht möglich, alle Overlays sowie deren Websites im Detail zu testen. Eine kurze Stichprobe zeigt jedoch bereits, dass die Websites der Anbieter selber nicht WCAG-konform sind.
Typische Mängel, denen wir da begegnen:
- Fehlende oder fehlerhafte semantische Informationen wie Überschriften und Listen.
- JavaScript-Widgets wie Akkordeons, Menüs oder Tabs, die nicht barrierefrei umgesetzt sind.
- Formularfelder, die nicht korrekt mit den Beschriftungen verknüpft sind.
Wollen Sie wirklich einem Unternehmen vertrauen, das nicht mal die eigene Website barrierefrei umsetzen kann?
Künstliche Intelligenz kann nicht alles lösen
Der Werbeclaim dieser Overlay-Anbieter klingt immer gleich:
accessiBe is a game-changer in web accessibility, simplifying and streamlining the process of becoming accessible and compliant using AI, machine learning, and computer vision.
accessiBe
Automatically finds and fixes accessibility violations 24/7 with our industry-leading AI-powered solution.
Userway
Designed for websites and organizations of any size, the Auto AI tool is the fastest and most effective way to achieve web accessibility. Trusted by businesses globally for ADA compliance and WCAG 2.2 conformance, it offers flexible plans to suit different website needs.
EqualWeb
Website-Verantwortliche fügen eine einzige Zeile JavaScript-Code ein und den Rest erledige dann die Künstliche Intelligenz. Wie genau das geschehen soll, erklären die Anbieter aber nicht. Die sogenannten Optimierungen erfolgen oberflächlich, nämlich auf Browser-Ebene. Deshalb auch die Bezeichnung «Overlay», wobei die Anbieter dieser Lösungen bewusst nicht die Bezeichnung «Overlay» verwenden. «AI solutions» verkauft sich halt besser.
In unseren Tests ergänzen diese Accessibility-Overlays unter anderem Bilder mit einem mit KI-generierten Alternativtext. Diese Funktion zeigt gleich mehrere Probleme auf:
- Nicht jedes Bild braucht einen Alternativtext. Dasselbe Bild kann je nach Kontext informativ oder dekorativ sein. Selbst informative Bilder können je nach Situation eine andere Information vermitteln. Die KI kann das nicht zuverlässig beurteilen, ob ein Bild dekorativ ist und keinen Alternativtext braucht oder ob der generierte Alternativtext der Information und Funktion des Bildes wirklich gerecht wird.
- Barrierefreiheit beginnt und endet nicht bei Textalternativen für Bilder. Barrierefreiheit betrifft unterschiedliche Aspekte, zum Beispiel auch die Bedienung mit Tastatur und technologischen Hilfsmitteln. Mit Alternativtexten alleine ist es nicht getan.
- Bei manchen dieser Overlays ist es so, dass die User:innen diese aktivieren müssen. Erst dann wird beispielsweise der Tastaturfokus sichtbar. Wenn man vorher nicht weiss, wo man sich gerade befindet, wird es zur Glückssache, dass man den Weg zum Widget finden und diesen aktivieren kann. Barrierefreiheit darf keine Zusatzoption sein, die man ein- oder ausschaltet, sondern muss von Anfang an aktiv sein.
Falsche Vorgehensweise
Accessibility-Overlays sollen mit einer einzigen Code-Zeile unzugängliche Websites barrierefrei machen. Und das, ohne in den Code einer Website einzugreifen. Das kann doch gar nicht funktionieren und ist auch gar nicht nachhaltig. Unser Kollege Andreas Uebelbacher beschrieb es in einem Interview mit der Netzwoche treffend: «Das ist im übertragenen Sinn der Ansatz, ein Gebäude erst als baufälligen Pfusch zu erstellen, und das dann mit Aussengerüsten gradebiegen zu wollen – das klappt nicht.»
Barrierefreiheit und die Bereitstellung von barrierefreien Inhalten sollte im Idealfall in der Unternehmenskultur verankert sein. Dies bedeutet, dass auch entsprechende Ressourcen bereitgestellt werden sollen. Inklusion ist eine langfristige Investition, für die es keine Abkürzung oder Schnäppchen gibt.
Die Kosten dieser Accessibility-Overlays liegen bei allen Anbietern bei ungefähr 500 Dollar pro Jahr für kleinere oder mittelgrosse Websites. Die vergleichsweise tiefen Kosten mögen auf den ersten Blick verlockend klingen. Es ist aber die falsche Vorgehensweise, weil diese Overlays keine echten Lösungen darstellen, sondern in vielen Fällen zu neuen Problemen führen. In unseren Tests zeigte sich, dass diese Accessibility-Widgets teilweise die Nutzung mit dem Screenreader massiv verschlechtern.
Falsche Sicherheit
Der European Accessibility Act EAA ist in wenigen Monaten in Kraft. Viele Unternehmen und Organisationen, die Kundschaft aus der EU haben, suchen deshalb nach einer schnellen Lösung. Accessibility ist ein langer Prozess und da mag es nicht nur aus Kosten-, sondern auch aus Zeitgründen verlockend sein, auf ein Overlay zu setzen.
Das Problem ist, dass man sich in falscher Sicherheit wiegt. Man meint vielleicht, kurzfristig etwas Sinnvolles getan zu haben, und verlässt sich auf die Versprechen von EqualWeb, UserWay und accessibe.
Diese falsche Sicherheit kann einen aber unter Umständen teuer zu stehen kommen. Es ist in der Schweiz und wohl auch in der EU nicht mit Klagewellen zu rechnen – ganz anders sieht es beispielsweise in den USA aus, wo Website-Betreiber regelmässig verklagt werden. Dennoch kann eine nicht-barrierefreie Website zu einem langfristigen Imageschaden führen, was letztlich auch dazu führt, dass ein Unternehmen Kund:innen und Investor:innen verliert.
Datenschutz ist nicht sichergestellt

Im Accessibility-Menü dieser Overlays werden Nutzende unter anderem auch nach ihrem Accessibility-Profil gefragt. Hier sollen Nutzende angeben, ob sie zum Beispiel blind sind, eine Farbfehlsichtigkeit oder sonst eine Behinderung haben. Neben der Angabe durch die Nutzenden selbst prüfen die Overlays auch, ob und wenn ja, welche technologischen Hilfsmittel im Einsatz sind. Diese persönlichen Informationen können an die Overlay-Anbieter übermittelt werden, ohne dass weder die Website-Verantwortlichen noch die Nutzenden selbst darüber entscheiden können, ob die Anbieter auf diese Daten zugreifen dürfen.
Fazit
Wir raten ausdrücklich davon ab, solche Accessibility-Overlays einzusetzen. «Nützt’s nüd, schadt’s nüd», ist in der Schweiz eine gängige Weisheit («Nützt es nichts, so schadet es auch nicht»). Bei den Overlays gilt aber, dass diese nicht nur nichts nützen, sondern sogar schaden. Deshalb: Finger weg und lieber ernsthaft in nachhaltige Barrierefreiheit und Inklusion investieren.