ÄCHZessibility Award: And The Winners Are….

In den vergangenen Tagen präsentierte die Stiftung "Zugang für alle" die für die Swiss App Awards nominierten SmartPhone Apps und untersuchte sie auf ihre Barrierefreiheit für Anwender von assistiven Technologien. Jetzt, wo die offiziellen App Awards verliehen wurden, ist es Zeit, dass auch wir unsere ÄCHZessibility Awards verleihen. Und dies sind die Gewinner:
Siegespokal mit Schriftzug "Teil 9"

ÄCHZessibility, nicht Accessibility

HALT! Was gibt’s eigentlich zu gewinnen?
Vielleicht sollten wir an dieser Stelle auf die Namensgebung unseres spontan einberufenen Awards eingehen. Wenn wir in der Serie jeweils von ÄCHZessibility gesprochen haben, handelte es sich dabei keineswegs um einen Schreibfehler oder eine besonders trendige Ausspracheweise des Wortes Accessibility.
Das «ÄCH» in ÄCHZessibility ist ein in der Schweiz oft gehörter Laut des Seufzens und der Enttäuschung. Das ebenfalls enthaltene «ÄCHZ» steht für anstrengende, manchmal mühselige Arbeit.
Der Kampf um Barrierefreiheit, dass Immer Wieder Nachfragen Müssen, wird von vielen Menschen mit Behinderungen ungefähr so empfunden. Schon im Einführungs-Artikel unserer Serie haben wir aufgezeigt, dass die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen bei den Swiss App Awards nur so lange eine Rolle spielen, wie sie mit üblichen Usability-Massnahmen abgedeckt werden können. Eine App für den Zugriff mittels assistiver Technologien zu optimieren, gehört hier leider nicht dazu. Pech für die Betroffenen – oder eben: ÄCH.
Andererseits: Die erwähnten assistiven Technologien des Iphones sind so eng ins IOS-Betriebssystem integriert, dass viele Anwendungen damit genutzt werden können, ohne dass sich die Entwickler gross um Barrierefreiheit kümmern müssen; dass viele der von uns geprüften Apps als «grundsätzlich bedienbar» eingestuft werden, hängt sicher auch damit zusammen. Vielmehr bedarf es, wie wir finden, schon besonderer Massnahmen, um Elemente so zu programmieren, dass sie etwa vom VoiceOver Screen-Reader nicht mehr erkannt werden können.
Und hier kommen nun eben die ÄCHZessibility Awards ins spiel. Nein, wir zeichnen nicht jene Apps aus, die für blinde Nutzerinnen und Nutzer am besten zu gebrauchen sind – wenigstens diesmal nicht.
Vielmehr gilt unser Augenmerk jenen Apps, die das ÄCH in ÄCHZessibility bei uns am heftigsten provozierten.

Und so, meine Damen und Herren, präsentieren wir denn…..

Die in Sachen Barrierefreiheit am enttäuschendsten umgesetzte App

KOUBACHI!
Die Pflanzen-Verwaltungs-App der gleichnamigen Firma konnte in unserer Testserie höchstens die sehbehinderte Nutzerin überzeugen, wenn sie VoiceOver abschalten und sich mit ihrem geringen Sehrest auf dem Bildschirm orientieren konnte. Mit ihrem schönen, visuellen Design und der beinahe spielerischen Benutzerführung ist es kein Wunder, dass sie bei den Swiss app Awards in der Kategorie «Best User Experience» unter die besten fünf kam.
Blinde Anwender können die App jedoch höchstens als Pflanzen-Lexikon nutzen. Weder das «Definieren» einer Pflanze noch das Verwalten einer solchen ist mit dem Screen-Reader möglich.
Dabei könnte man die App durchaus barrierefrei umsetzen. Im Entwicklerhandbuch für IOS wird aufgezeigt, wie man allen Programm-Elementen (und seien sie noch so grafisch) die nötigen VoiceOver-Eigenschaften beifügen kann. So, wie wir dies beurteilen, müsste am äusseren Erscheinungsbild gar nichts verändert, sondern lediglich Under The Hood einige Definitionen eingebunden werden.

Die für blinde User unbrauchbarste App

UBS
Ich will ja nicht so reden, wie alle anderen, die davon nichts verstehen. ABER…. Eine UBS, die im letzten Quartal… Wie viel Gewinn haben sie schon wieder gemacht?
Anyway: Eine Bank, die – egal, was sie sagt – in Millionen schwimmt, die ihre Sicherheit offensichtlich im Griff und ihre Kunden gehörig lieb hat, müsste doch in der Lage sein, ein Login-Verfahren einzuführen, welches blinde Nutzer nicht kategorisch ausschliesst! Schon vor mehr als fünf Jahren, führte die PostFinance eine eben solche Lösung ein. Es ist also nicht einmal so, dass es hier um nicht umsetzbare Bedürfnisse geht.
Den Award erhalten sie also nicht für irgendwelche App bezogenen Leistungen, sondern darum, weil es eine der weltweit führenden Banken schafft, ein schon lange bekanntes Problem nicht endlich für alle zufriedenstellend zu lösen.

Doch nach so viel Negativität ein kleiner Pluspunkt: Immerhin bemüht sich die UBS zur Zeit um eine barrierefreie Website. Es bleibt zu hoffen, dass dieses Bestreben auch auf das Login-Verfahren übertragen wird.

Und nach diesen zwei Awards wollen wir aber doch noch einen positiven Award vergeben! Hier ist…

Die überraschend zugängliche App

TCS
Weder der Touring-Club Schweiz noch unsere Accessibility Experten hier bei «Zugang für alle» hätten das wohl gedacht: Aber diese Karten-Ansicht (Wir schwärmten in diesem Beitrag ausführlich darüber) ist etwas, das unser Lob verdient. Und dass man gerade bei einer App, die sich offensichtlich primär an sehende autofahrer richtet, darauf stösst, ist beinahe unfassbar. Viele Karten-Apps (einige kommerzielle Navigations-Programme eingeschlossen) täten gut daran, sich beim TCS ein Beispiel zu nehmen.

Hierzu muss man aber auch sagen, dass die TCS-App nicht die einzige Swiss App Awards- Anwendung ist, die eine zugängliche Kartenfunktion bietet. Auch die IOS-Version der local.ch App bietet, als Alternative zur «Treffer-Liste» eine geografische Darstellungsweise. Auch diese Ansicht ist mit VoiceOver recht zugänglich.

Ein Wort zu den Games

«Warum gerade diese Auszeichnungen?» werden sich aufmerksame Leserinnen und Leser fragen. Warum zeichnen wir nicht einfach die nominierten Games, mit denen wir ja gar nichts anfangen konnten, mit einem kollektiven Schmähpreis aus?

Dies liegt daran, dass wir wissen, wie viel aufwändiger es ist, ein Game vom Kaliber der nominierten Apps für blinde Menschen zugänglich zu machen. Lassen sich die Anwendungen, die wir schlussendlich auszeichneten, von deren Entwicklern mit relativ geringem Aufwand für assistive Technologien optimieren, stellen Games ganz besondere Anforderungen. Ein barrierefreies Game muss oft von Grund auf als solches geplant werden – eine einfache Nachrüstung ist wohl kaum möglich.

Die Testresultate im Überblick

An dieser Stelle werden wir in den nächsten Tagen eine Tabelle mit den genauen Testresultaten publizieren, die einen ungefähren Überblick über die grundsätzliche (un)Zugänglichkeit der getesteten Apps gibt.

Auch Stellungnahmen der Entwickler, sofern sie denn über unser Feedback nicht zu sauer sind, würden wir gerne noch nach liefern; we’ll keep you posted!

Falls Sie übrigens App-entwickler sind und ihr Produkt auf Zugänglichkeit überprüfen lassen möchten, finden Sie eine Anleitung zum Selber Testen im Programmier-Handbuch von Apple; oder Sie nehmen mit uns Kontakt auf, wenn Sie Ihre Produkte von selbst betroffenen Menschen mit Behinderungen überprüfen lassen möchten.

Die ÄCHZessibility Awards stehen in keinem offiziellen Zusammenhang mit den Swisss App Awards. Sie wurden jedoch offensichtlich von diesen inspiriert.

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