Service: Hierzu gibt’s noch einmal einige Interview-Ausschnitte zum Anhören. 06-Koubachi und Moneybook – MP3 (FM-Qualität)
Simone Buser: Vom Unterschied zwischen Vergrösserungen
Simone Buser (23) nutzt seit vergangenem Juni einen Ipod, überlegt sich aber, sich nächstens ein Iphone zuzulegen. Auch auf dem Ipod sind die Bedienungshilfen für Sehbehinderte und Blinde nutzbar; und Simone setzt sie alle rege ein.
«Um mir Texte vorlesen zu lassen, verwende ich vor allem VoiceOver; aber wenn ich damit nicht mehr weiter komme, schalte ich auf Zoom um oder ich setze die andere Vergrösserungsfunktion ein».
Mit der ‹anderen Vergrösserungsfunktion› meinen wir die in vielen Apps eingebaute, einfache Möglichkeit, den Bildschirminhalt durch Auseinanderziehen mit zwei Fingern grösser darzustellen. ‹Zoom› hingegen ist eine ständige Bildschirm-Vergrösserung, die dauerhaft aktiviert werden kann. Simone erläutert: «Ich muss sagen, dass ich von Zoom teilweise sehr enttäuscht bin. Denn wenn ich es eingeschaltet habe, werden Dinge manchmal unleserlich und unscharf. Nutze ich aber, bei ausgeschaltetem Zoom, die Zwei-Finger-Geste, bleibt das Bild meistens scharf.» Leider lässt sich diese Geste nicht in allen Apps anwenden (möglicherweise kann sie von den Entwicklern ja deaktiviert werden?). Zoom steht aber auch wegen der alternativen Gestensteuerung in Simone’s Kritik: «Ist es aktiviert, muss man sich mit einer Drei-Finger-Geste auf dem Bildschirm bewegen. Und wie man sich vorstellen kann, wird mit drei Fingern auf dem Display schon wieder die Sicht eingeschränkt.»
Wie die meisten unserer portraitierten SmartPhone-Anwender, arbeitet auch Simone mit einer Bluetooth-Tastatur, die sie verwendet, um etwa E-Mails zu schreiben. Sie findet, dass diese Kombination etwa für Studenten ideal sei: «Das Iphone passt in eine Tasche und auch die Bluetooth-Tastatur ist klein und viel leichter als ein Laptop. Und man kann damit etwa an einer Vorlesung ganz gut seine Notizen schreiben».
Koubachi: I Gseh, Was Du Nid Gsehsch
Die Iphone-App von Koubachi soll einem dabei helfen, seine Pflanzen besser pflegen zu können. Visuell scheint sie auf Simone einen netten Eindruck zu machen. «Auf dem Home-Bildschirm der App, die für die Swiss App Awards gleich in mehreren Kategorien nominiert ist, ist ein kleines Gartenbeetchen abgebildet, in welches man seine Pflanzen einsetzen kann.»
Aber schade: Statt Informationen über Pflanzen, hören voiceOver lediglich, dafür X Mal wiederholt, die Bezeichnung «Taste, Taste, Taste» – egal, ob man gerade eine definierte oder eine ‹leere› Pflanze berührt. Sucht man etwa nach einer bestimmten Pflanze, kann Simone dies dank ihres Sehrests und den eingesetzten Grafiken noch recht zügig erledigen. Alleinige VoiceOver-Nutzer müssten sich hingegen im Wirrwarr der anonym klingenden «Tasten» diejenige aussuchen, die zur gewünschten Pflanze gehört.
Auch das Definieren einer neuen Pflanze war für Simone möglich; denn sie konnte sehen, welche Auswahl sie bei der Frage nach der «Topfgrösse» hatte. VoiceOver-User hören an dieser Stelle lediglich noch den Hinweis, dass man einen «Regler» nutzen könne, um die Grösse einzustellen – den Regler selbst suchen blinde Anwender jedoch vergeblich.
Dabei könnte man sie schon zugänglich machen, denkt Simone. «Voiceover erkennt ja die Tasten… Man müsste sie eigentlich nur noch korrekt beschriften».
Immerhin: Das «Pflanzenlexikon» ist auch mit dem Iphone Screen-Reader nutzbar.
Fazit: Hier darf man es glaub ich sagen: Mit dieser App können blinde User nicht arbeiten – oder, noch nicht.
Romeo Rikli: Das Iphone ist genial, ersetzt aber nicht das Gehör
Waren Sie per Zufall im August 2010 am Konzert des Berner Symphonieorchesters und Patent Ochsner auf dem Bundesplatz in Bern? Falls Ihnen damals der Wohlklang des Konzertflügels aufgefallen sein sollte, können Sie sich bei Romeo Rikli bedanken. Der heute 48 Jährige Klavierstimmer hat sich nämlich auch dieses Flügels angenommen.
Auch in seiner Freizeit, steht beim Berner Romeo Rikli die Musik im Vordergrund. Klavier und Gitarre spielt er ebenso wie elektronische Instrumente.
Aber nein, das Iphone unterstützt ihn nicht dabei, erzählt er mir. «Ich habe noch keine Musik-Apps genutzt, obwohl es ja einige interessante Anwendungen gibt.»
Iphones hat er, seitdem Apple angefangen hat, den VoiceOver Screen-Reader mitzuliefern. Vom 3GS aktualisierte er zunächst aufs Iphone 4 und inzwischen aufs Modell 4s. Die Handymarke zu wechseln, scheint er sich nicht einmal zu überlegen. «Früher hatte ich schon Handies anderer Marken. Aber das Iphone, für welches ich nicht noch eine Zusätzliche Sprachausgabe kaufen muss und welches so viel kann, ist einfach zu genial.» Mit dem Apple Handy könne er meistens beinahe gleich schnell arbeiten wie mit einem Tasten-Telefon. Einzig beim Schreiben sei er mit dem Touch-Screen etwas langsamer, aber dafür gäbe es ja Bluetooth Tastaturen, die man mit dem Iphone verbinden könne.
Moneybook: Zahlen, Pfeile, Plus und Minus
Romeo hat sich für die ÄCHZessibility Awards im Moneybook von noidentity umgeschaut. AUF Anhieb, meint er, mache die App einen durchaus guten Eindruck. «Es ist sehr einfach, die verschiedenen Programmelemente mittels VoiceOver zu finden. Die neuesten Transaktionen erscheinen jeweils auf dem Startbildschirm. Und man kann auch sein regelmässiges Einkommen bequem festlegen,. So kann man einfach feststellen, wie viel Geld noch zum Ausgeben da ist.»
Als ich mir später aber die App noch einmal genauer ansehe, muss ich feststellen, dass der erste Schein trügt. Mit VoiceOver ist es nämlich im Moment keineswegs möglich, einen wirklich verständlichen Überblick über seine Finanzen zu erhalten. Auf dem erwähnten Startbildschirm erscheinen zwar die letzten Transaktionsbeträge; ob es sich dabei aber um Plus- oder Minus-Zahlen handelt, hört der blinde User nicht. Auch stösst man immer wieder auf seltsam benannte Tasten (etwa den «Pfeil» Knopf, dessn Funktion wenigstens mir aufgrund dieser Beschreibung verborgen bleibt).
Romeo Rikli ist Kunde der Postfinance und nutzt für seine Kontoverwaltung auch deren App. Er empfiehlt auch anderen Banken, ihre Apps ähnlich – und ähnlich zugänglich zu gestalten. Und vielleicht könnte sich ja auch Moneybook an diesen Apps ein barrierefreies Beispiel nehmen.
Fazit Einmal mehr kommt’s auf die Details an, die den Unterschied zwischen Unbrauchbar und Barrierefrei ausmachen.
So Geht’s Weiter
Wir haben noch Testberichte einiger Apps, die wir in Kürze online stellen werden. Dies hier ist aber schon mal das ende unserer kleinen Portrait-Serie. Allen Iphone-, Ipad und Ipod-Nutzerinnen und und -Nutzern, denen wir unsere Fragen stellen durften, möchte ich an dieser Stelle ganz herzlich für Ihre Teilnahme danken!
Jetzt, wo ich dies schreibe, ist es gerade 18:00 Uhr. Es dauert also noch ungefähr zwei Stunden, bis in Zürich die offiziellen Swiss App Awards zum ersten Mal vergeben werden.
Wir gestatten uns, mit unserem ÄCHZessibility Award noch einen Tag zu warten, damit wir wirklich alle Apps ansehen können. bis dahin können Sie ja Hier nachlesen, wer gewinnt, wenn Barrierefreiheit nur ein Randkriterium ist. 🙂
Downloads
Die ÄCHZessibility Awards stehen in keinem offiziellen Zusammenhang mit den Swiss App Awards. Sie wurden jedoch offensichtlich durch diese inspiriert.