Barrierefreie PFD-Dokumente mit Acrobat Reader für Android und iOS lesen.

Bisher war das Lesen von barrierefreien PDF-Dokumenten sowohl auf iOS und Android eher unbefriedigend. Neu soll das mit dem «Acrobat Reader» möglich sein. Das musste ich natürlich gleich testen.
Mensch am Laptop

Einleitung

Kürzlich habe ich in der eyes-free Group, einer englischsprachigen Google-Gruppe für blinde und sehbehinderte Android-Nutzerinnen eine kurze Meldung gefunden, dass es jetzt auch möglich sein soll mit dem «Acrobat Reader» für iOS bzw. Android barrierefreie PDF-Dokumente zu lesen.

Da das Lesen von barrierefreien PDF-Dokumenten sowohl auf iOS und Android bis jetzt eher unbefriedigend war, entschloss ich mich den «Acrobat Reader» auf beiden mobilen OS zu installieren und zu testen.

Interessehalber habe ich noch einen kurzen Vergleich mit der speziell für blinde und sehbehinderte Menschen entwickelten App «Voice Dream Reader» , die es für beide mobile OS gibt, angestellt. «Voice Dream Reader» gibt es sowohl im AppStore (iOS) für CHF 15.00 als auch im PlayStore (Android) für CHF 9.90.

Testumgebung

Als Testgeräte dienen ein iPad Air mit iOS 10.3.2 und ein Nexus 9 mit Android 7.1.1 mit dem Sicherheitsupdate vom 5. Juli 2017. Als Testdokument wurde die Schweizerische Accessibility Studie 2016, welche als barrierefreies PDF-Dokument vorliegt, verwendet.

Acrobat Reader für Android

Nach dem Öffnen der App können sich «TalkBack»-AnwenderInnen mit den gewohnten Gesten durch den «Startbildschirm» bewegen und das gewünschte Dokument öffnen. Nachdem das Dokument geöffnet wurde können die AnwenderInnen wieder mit den gewohnten Wischgesten das Dokument lesen oder sie öffnen das globale Kontextmenü (in einer fliessenden Bewegung senkrecht nach unten und dann nach links wischen) und wählen die Option «Ab dem nächsten Element lesen» damit wird eine Seite des Dokuments vorgelesen. Es ist während des Tests nicht gelungen mehrere Seiten des Dokuments auf einmal vorlesen zu lassen. Bei einem 152-seitigen Dokument ist es mit ziemlich viel Wischen verbunden, wenn sich die AnwenderInnen jede Seite einzeln vorlesen lassen müssen.

Schon sehr bald ist aufgefallen, dass «TalkBack» auf dem Deckblatt der Accessibility Studie nicht alle Logos der Sponsoren vorliest. Die Überschriften im Dokument werden zwar mit der richtigen Überschriften-Ebene vorgelesen, leider ist es aber nicht möglich mit «TalkBack» von Überschrift zu Überschrift zu springen. Es ist gar nicht möglich Überschriften als «Sprung-Einheit» einzustellen. Allfällige E-Mail-Adressen und Webseiten, die im Dokument verlinkt sind, lassen sich öffnen.

Neben dem seitenweisen Navigieren, ist es auch möglich mittels des Inhaltsverzeichnisses im Dokument zu navigieren. «TalkBack» sagt die Schaltfläche um das Inhaltsverzeichnis zu öffnen als «Lesezeichen, Kommentare» an und «VoiceOver» als «Lesezeichen Taste».

Acrobat Reader
Acrobat Reader für Android mit dem Deckblatt der Schweizerischen Accessibility Studie 2016

Acrobat Reader für iOS

Auch hier können sich die «VoiceOver»-AnwenderInnen mittels der gewohnten Wischgesten durch den «Startbildschirm» bewegen und das gewünschte Dokument auswählen. Im Dokument selber funktionieren die gewohnten Gesten. Auch hier ist es leider nicht möglich mehrere Seiten hintereinander vorlesen zu lassen. Immerhin muss man mit «VoiceOver» nicht manuell blättern, es wird jeweils am Ende der Seite automatisch auf die nächste Seite gewechselt und die nächste «Einheit», sei das nun ein Absatz oder eine Überschrift, vorgelesen. Erst dann stoppt «VoiceOver» vorzulesen und es ist möglich mit der «Vorlese-Geste» eine Seite weiter zu lesen.

Im Gegensatz zu Android ist es hier möglich von Überschrift zu Überschrift zu springen. Auf dem Deckblatt der Studie werden alle Logos der Sponsoren von «VoiceOver» vorgelesen.
Wie schon in Android ist es auch in iOS möglich das Inhaltsverzeichnis zu benutzen. Es ist auch möglich mit der «Gehe zu Seite»-Funktion zu einer bestimmten Seite zu springen. Dies funktioniert auch unter Android. Geblättert wird hier mit einer Wischbewegung von links nach rechts oder umgekehrt aber nicht mit zwei sondern mit drei Fingern.

Voice Dream Reader

Da die Versionen von «Voice Dream Reader» für Android und iOS von der Bedienung und von der Funktionalität sich sehr ähnlich sind, wird auf die Unterscheidung der beiden Versionen verzichtet.

Da «Voice Dream Reader» speziell als «Lese-App» für sehbehinderte und blinde Menschen entwickelt würde, bietet die App natürlich einige praktische Funktionen wie z. B. die Möglichkeit, den Text des PDF-Dokumentes neben der Original-Darstellung noch als reiner Text in verschiedenen Farbeinstellungen und Schriftgrössen und -arten darzustellen.

Die Vorlesefunktionen ähneln denen eines Daisy-Players, es ist also möglich je nach Einstellung in verschiedenen Einheiten sich im Dokument zu bewegen, z. B. 30 Sekunden, satz- oder seitenweise.
Das Vorlesen geschieht mittels eines Tipps auf den Play-Schalter und es ist auch möglich sich das gesamte PDF-Dokument in einem «Rutsch» vorlesen zu lassen. Leider erkennt der Voice Dream Reader die Struktur eines barrierefreien PDF-Dokumentes noch nicht, so dass keine Überschriften oder Listen angesagt werden.

Voice Dream Reader mit dem Deckblatt der Schweizerischen Accessibility Studie 2016 in der Text-Darstellung
Voice Dream Reader mit dem Deckblatt der Schweizerischen Accessibility Studie 2016 in der Text-Darstellung

Fazit

Die Tatsache, dass man weder im «Acrobat Reader» für Android noch für iOS ein PDF-Dokument in einem «Rutsch» vorlesen lassen kann und der relativ umständliche Aufruf der «Lese alles»-Funktion bei «TalkBack», lässt schon darüber nachdenken, ob man lieber auf die Ausgabe der Struktur des PDF-Dokuments verzichtet und dafür die relativ komfortablen Lesefunktionen in «Voice Dream Reader» nutzen will. Diese Entscheidung hängt sicherlich auch von der Art des PDF-Dokuments und davon ab, wie wichtig einem die Struktur eines Dokuments ist.

Ein Anfang ist mindestens gemacht, obschon es noch einiger Updates bedarf bis das Lesen von barrierefreien PDF-Dokumenten auf mobilen Plattformen so komfortabel sein wird wie auf einem Windows-Rechner.

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