Kennen Sie das? Gute Lösungen wären zur Hand, die Chancen für langfristige Gewinne attraktiv, aber leider lassen die initialen Kosten das Vorhaben unattraktiv erscheinen. Das gilt für Investitionen in den Klimaschutz, aber oft ebenso, wenn es darum geht, barrierefreien Zugang sicherzustellen. Es liegt an der menschlichen Natur. Was das langfristige Denken betrifft, sind wir offenbar alle etwas eingeschränkt.
Die Menschheit brennt gerade das Haus ab, in dem wir alle wohnen. Die Schweiz sollte löschen helfen, aber das Wasser ist uns noch zu teuer. Immerhin wohnen wir in der Mansarde, da kann man die Fenster schliessen, während aus den unteren Etagen Flammen züngeln und Rauch aufsteigt. – Beim Klimawandel werden die Folgen immer deutlicher sichtbar, bei Accessibility-Problemen bleiben sie oft verborgen. In beiden Fällen gibt es Lösungen, die aber erst einmal mit einer Investition verbunden sind. Eine Aufforderung, nachzurechnen.
Förderbeiträge als Teil der Lösung
Unser Hirn neigt dazu, Investitionskosten höher zu bewerten als langfristige Renditen. Schon mittelgrosse Ausgabenposten erscheinen uns wichtiger als enorme Vorteile, die wir über die Zeit erlangen könnten. Die Kosten würden unser Budget zeitnah belasten und uns womöglich vorerst Nachteile einbrocken. Verlustangst wird aktiviert. Emotionen besiegen den Verstand.
Investitionsanreize wie Fördergelder helfen, diese geistige Hürde zu überspringen. Das Ziel Energiewende verfolgt die Schweiz mit Förderprogrammen für Gebäudemodernisierungen, effiziente Elektrogeräte und umweltschonende Mobilität. Bund, Kantone, Gemeinden, Energieversorger und Stiftungen subventionieren nach unterschiedlichen Kriterien. Kaum jemand kann überblicken, wer wofür wieviel Geld gibt. Für den Durchblick in diesem Dschungel sorgt seit Jahren www.energiefranken.ch – die Schweizer Suchmaschine für Förderprogramme, die mein Arbeitgeber EKZ gemeinsam mit EnergieSchweiz und weiteren Partnern betreibt. Seit dem Relaunch Ende 2020 wird das Tool immer beliebter. Aktuell laufen darüber rund 8’000 Recherchen pro Monat, Fachleute und Laien finden im Schnitt in weniger als drei Minuten die gewünschten Informationen.
Als Projektleiter durfte ich den Relaunch gestalten, das Design bestimmen, Funktionalitäten ergänzen und nicht zuletzt ein Augenmerk auf die Zugänglichkeit für alle richten. Obwohl ich Accessibility zu meinen vielen Hobbys und Interessensgebieten zähle, empfahl ich einen Review durch die Profis der Stiftung «Zugang für alle» und stiess damit zum Glück auf offene Ohren. Letztlich konnten wir in mehr als 20 Punkten noch Verbesserungen einbauen. Von kaum sichtbaren Elementen im Windows-Kontrastmodus bis zu einem für Screenreader unüberwindbaren Sicherheitselement beim Kontaktformular hatten die Testerinnen diverse Fehler aufgespürt.
Wenn davon jetzt auch nur fünf bis zehn Prozent der Suchenden profitieren, sind das in fünf Jahren doch 25’000 bis 50’000 Recherchen. Nicht nur bleiben uns so viele Rückfragen erspart, sondern der Weg zu Fördergeldern wird abgekürzt und die Chancen steigen, dass Investitionen im Sinne der Klimaziele von Paris ausgelöst werden. Im Vergleich zu diesem Wirkungspotenzial war die zusätzliche Investition für den Review und die Optimierungen lächerlich klein. Und vielleicht ist die Quote sogar noch besser. Oft sind es ältere Menschen, die Liegenschaften besitzen oder verwalten. Für sie sind Einfachheit und gute Kontraste sehr wichtig.
Wer auf alle setzt, macht alles richtig
Wer auf Zugänglichkeit für alle verzichtet, betrügt sich wahrscheinlich selber. Wer vor der geistigen Schranke der Kostenaversion einknickt, verzichtet auf Wirkungspotenzial. Oder umgekehrt formuliert: Nur wer seine Leistungen allen anbietet, kann das Maximum herausholen. Onlineshops können das direkt am Umsatz messen, andere werden die Wirkung wie ich abschätzen müssen. Persönlich bin ich aber überzeugt, dass es sich auf jeden Fall lohnt. Mindestens volkswirtschaftlich, gesellschaftlich und moralisch. Vielleicht müsste man auch bei der Accessibility mit Fördergeldern noch etwas nachhelfen?
Wenn unsere Gesellschaft noch ein paar Jahrhunderte in Würde bestehen soll, muss sie sich stark wandeln. Wir müssen anders bauen, ältere Gebäude sanieren, erneuerbare Energie produzieren und die Mobilität in umweltverträgliche Bahnen lenken. Indem wir bei unserem kleinen Webprojekt an alle gedacht haben, tragen wir hoffentlich unseren Teil dazu bei, dass auch alle mithelfen können, diesen Wandel zu vollziehen.
Fazit: Nochmals nachrechnen
Für mich ist klar: Es zahlt sich aus, Menschen zu helfen, allgemeine oder individuelle Grenzen zu überwinden. Das gilt für psychologische Schranken, die aus unserer Entwicklungsgeschichte stammen, genauso wie für technische Hindernisse, die ohne böse Absicht in Webseiten, Apps und Softwarelösungen eingebaut wurden.
Darum zum Schluss nochmals die Aufforderung: Analysieren Sie genau, was Sie selber mit einer Zusatzinvestition alles bewirken könnten, und rechnen Sie nach. Es könnte sich auf lange Sicht sehr lohnen, selbst ohne Förderprogramme.
Person
Thomas Elmiger
Thomas Elmiger hat schon 1999 Webseiten direkt in HTML, CSS und JavaScript geschrieben, leitete Entwicklungsteams für webbasierte Software, machte Beratung und Verkauf für Web- und E-Commerce-Projekte und wechselte dann ins Onlinemarketing. Heute ist er Projektmanager Digital im Team der EKZ-Energieberatung. Für Barrierefreiheit interessiert er sich, weil er selber Farben minimal anders sieht als Durchschnittsmenschen und noch mehr, seit er bei einem Skiunfall knapp an der Querschnittlähmung vorbeischrammte.