Noch deutlich weniger verbreitet als andere Massnahmen zur Inklusion von Menschen mit einer Behinderung ist die Leichte Sprache. In der Öffentlichkeit stösst sie auf viel Kritik. Dass sie nicht vollkommen ist und noch in der Entwicklung steht, ist klar. Doch sind die vielen kritischen Stimmen gerechtfertigt oder hat die Leichte Sprache nicht doch unentdecktes Potenzial?
Was ist Leichte Sprache?
Leichte Sprache ist eine vereinfachte Varietät der Standardsprache. Sie zeichnet sich durch klare Regeln zur Vereinfachung der Sprache aus. So verzichtet die Leichte Sprache beispielsweise auf komplexe grammatikalische Strukturen und komplizierte Wörter. Auch die Darstellung der Leichten Sprache unterscheidet sich von derjenigen der Texte in Standardsprache. Zum Beispiel trennt jeweils ein Bindestrich zusammengesetzte Wörter und jeder Satz beginnt auf einer neuen Zeile.
Primäre Zielgruppe der Leichten Sprache sind Menschen mit einer kognitiven oder geistigen Behinderung sowie Menschen mit Lernschwierigkeiten. Durch die Leichte Sprache erhalten sie einen barrierefreien Zugang zu Informationen. Neben den genannten Adressatengruppen profitieren beispielsweise auch Menschen mit Demenz oder mit Deutsch als Zweitsprache von Texten in Leichter Sprache.
Wahrnehmung in der Gesellschaft
Um herauszufinden, wie die Gesellschaft im deutschsprachigen Raum die Leichte Sprache wahrnimmt, habe ich im Rahmen meiner Bachelorarbeit Kommentare unter Online-Artikeln zum Thema Leichte Sprache untersucht. Dabei habe ich rund 150 Kommentare unter Artikeln verschiedener Zeitungsanbieter gesammelt und sowohl quantitativ als auch qualitativ untersucht.
Die Untersuchungen zeigen deutlich, dass trotz einigen positiven Stimmen (ca. 29%) und einiger neutralen Stimmen (ca. 11%) die Mehrheit der Nutzer (ca. 60%) nicht viel vom Prinzip der Leichten Sprache hält. Allerdings fällt auf, dass viele Verfasserinnern und Verfasser der Kommentare nicht wirklich verstehen, wer die Zielgruppe ist. Andere Nutzerinnen und Nutzer zeigen sich besorgt, da sie befürchten, dass die Zielgruppe durch die starke Vereinfachung der Sprache manipuliert wird. Die Kritik an der Leichten Sprache war oft mit einer viel allgemeineren gesellschaftlichen Kritik verbunden, z.B. an der Politik oder am Bildungssystem.
Positive Stimmen verteidigen die Leichte Sprache und fordern zu mehr Respekt auf. Sie betonen, wie wichtig Inklusion ist, und vergleichen mit anderen Formen von Behinderungen, die in der Gesellschaft grundsätzlich auf Akzeptanz stossen. Andere Nutzerinnen und Nutzer sehen Argumente beider Seiten und verzichten auf ein abschliessendes Urteil.
Vorurteile gegenüber der Leichten Sprache
Ganz ehrlich, wir sind alle manchmal überfordert mit scheinbar endlosen Schlangensätzen in komplizierter Fachsprache. Allerdings hat nicht jeder die Fähigkeit, solche Sätze in verständliche Sinneseinheiten zu zerlegen. Menschen mit einer kognitiven Behinderung sind darauf angewiesen, Informationen in einer weniger komplizierten Form zu erhalten. Dass ab jetzt alles nur noch in Leichter Sprache verfügbar ist, stimmt nicht. Die Befürchtung einiger Menschen ohne Beeinträchtigung ist daher nicht gerechtfertigt. Keine Angst, hochkomplexe Fachtexte und Wörter wie Dichtegradientenzentrifugation haben also weiterhin ihre Daseinsberechtigung.
Sich einfach mehr anzustrengen ist leichter gesagt als getan. Von einer Person mit Aphasie zu verlangen, sich doch bitte einfach mehr Mühe zu geben, ist wie einen nahezu Blinden zu bitten, doch einfach genauer hinzusehen. Leichte Sprache ist nicht für lesefaule Menschen, sondern für diejenigen, die trotz ihrer Beeinträchtigung an der Gesellschaft teilhaben möchten. Die Leichte Sprache zeigt daher nicht den Abstieg unserer Gesellschaft, sondern ist vielmehr ein Zeichen für ihre Diversifizierung und Weiterentwicklung. Die erwähnten Vorurteile machen deutlich, dass viele Menschen nicht wissen, was Leichte Sprache ist und besonders, wer ihre Zielgruppe ist. Es ist wichtig, in Zukunft noch besser über dieses Thema zu informieren und zu sensibilisieren. Nur so wird die Barrierefreiheit – auch in Bezug auf kognitive Behinderungen – in der Gesellschaft auf mehr Akzeptanz stossen.