Los Geht’s
Erinnern Sie sich noch an Ihren allerersten Ausflug ins Internet und an die erste Website, die Sie in Ihrem Leben je aufriefen?
Ich erinnere mich noch sehr gut daran: Es war am 4. April 1999, genau um 16:55 Uhr. Die erste Seite, die ich anwählte, war www.rabe.ch, die Seite des unabhängigen Berner Lokalradios. Ich war noch kaum auf der Seite, da sang mir eine Frau in vollen Zügen das Lied «Voulez-vous choucher avec moi?» entgegen – es war toll…
… Na ja, vielleicht nicht ganz toll; denn dieses erste Surf-Erlebnis war im Nachhinein wohl eher eine totale Überforderung: Die RaBe-Seite, kombiniert mit meiner damals mangelhaften Erfahrung und den unausgereiften Bildschirmlese-Technologien meiner Hilfsmittel, stellte keineswegs einen einfachen Internetstart für Anfänger dar. Trotzdem wollte ich surfen – und zwar schnell.
Um auf einer Website so schnell wie möglich an mein Ziel, die gewünschte Information oder einen Download, zu gelangen, nutzte ich meistens ein Tool, welches vom Bildschirmleseprogramm zur Verfügung gestellt wurde. Es heisst: Die Linkliste.
Ruft man es auf, listet es, wie der Name schon sagt, alle Links einer Website in einem einfachen Fenster auf. Der Anwender kann dann einen Link mit den Pfeiltasten auswählen und muss sich nicht erst durch eventuelle Zusatztexte lesen.
Die Linkliste sieht immer gleich aus und erfordert kaum mehr Kenntnis der aufgerufenen Internetseite und deren Layouts. Auf Wunsch lässt sie sich alphabetisch oder nach Original-Reihenfolge des Link-Auftretens sortieren und durch Drücken eines Buchstabens springt man jeweils zu Links, die damit beginnen. Gerade blinde Menschen, die erst seit kurzem im Internet unterwegs sind, schätzen und nutzen aus diesen Gründen die Linkliste relativ häufig.
Leider gibt es immer wieder Internetseiten, in denen eine Linkliste sehr schnell nutzlos wird.
Was ist das Problem?
Zurück zur RaBe-Seite, die Sie übrigens heute öffnen können, ohne angesungen zu werden. Klickt man hier den Link ‹Shows› (oder ‹Sendungen›) an, treffen wir auf ein Beispiel einer mit Linklisten schwer oder gar nicht navigirbaren Seite.
In der normalen Version finden wir hier eine Liste mit Sendungsnamen, Sendetermin und (häufig) einem Link zu einer Seite mit weiteren Informationen zum Programm.
Diese Links haben jeweils entweder das Format
1) <a href="http://www.LinkZurShow.com" mce_href="http://www.LinkZurShow.com">>...mehr</a>
oder
2) <a href="http://www.LinkZuEinerAnderenShow.com" mce_href="http://www.LinkZuEinerAnderenShow.com">> www.LinkZuEinerAnderenShow.com</a>
.
Dieser Code ergibt die folgenden Links:
1) >…mehr
2) >www.LinkZuEinerAnderenShow.com
Für jene User, die sich die volle Version der Seite ansehen, wird an solchen Links nichts Falsches zu entdecken sein, so lange sie nur funktionieren.
Die Linkliste dieser Seite wirft da schon mehr Fragen auf. Hier ein Ausschnitt (ACHTUNG: dies ist keine echte Linkliste, sondern nur der kopierte Inhalt dessen, was mein Screenreader am Testtag als Linkliste ausgab. Nur der Text, nicht die eigentlichen Links, werden wiedergegeben):
- Info
- Kultur und Veranstaltungen
- Entertainment
- Politik & Gesellschaft
- Musik
- >… Mehr
- >… Mehr
- [E-Mail-Adresse von Sendungsmachern]
- >… Mehr
- >… /piazzaitalia
- [E-Mail-Adresse von Sendungsmachern]
- www.scotchnrock.ch.vu
- unnamed*
- > www.dbi.ch/w/widescreen
- > SendungsmacherInnen?!
- sendungen_details/abendrot
- > www.dbi.ch/abendrot
- > www.aendlosschloufe.ch
- >… mehr
- [E-Mail-Adresse von Sendungsmachern]
- >… mehr
- …..
* Der UNNAMED Link ist eigentlich das verlinkte # Zeichen, welches, so als Link, sowohl das Bildschirmleseprogramm wie auch seinen Nutzer verwirrt.
Sortieren wir die Liste alphabetisch, tritt das Problem noch deutlicher zu Tage: Nach einigen Links zu Sendungen (sie beginnen alle mit dem > Zeichen) folgt beinahe 20 Mal ein Eintrag ‹>… Mehr», wiederum abgelöst durch eine weitere Liste von verständlichen Links zu Sendungen, E-Mail-Adressen und Websites».
Was im Test steht
Wenn wir die Links auf einer Seite testen, lautet die Prüf-Frage:
Sind die Links auf der Seite logisch und je nach Ziel unterschiedlich beschriftet?
Wer diesen Teil des Tests bestehen will, sollte auf einer Seite Links anbieten, die möglichst für sich sprechen; man sollte also aus dem verlinkten Text erkennen können, was passiert, wenn man den Link auslöst.
Mehr als Mehr
Ein Linktext wie ‹mehr…› (vor allem dann, wenn er nicht nur einmal auf einer Seite vorkommt) erfüllt dieses Kriterium nicht. Selbiges gilt für Linktexte wie ‹Weiter› oder ‹Hier›. Werden diese aus dem Kontext gerissen, sind sie absolut sinnlos. Werden Sie ausserdem durch den Rechtspfeil ‹>› eingeleitet (wie im obigen Beispiel gezeigt), ist es für den Screenreader-Benutzer nicht mehr möglich, durch Drücken eines Buchstabens einen Link mit entsprechendem Anfang zu finden.
Wir empfehlen, schlagkräftige und klare Worte oder Sätze zu verlinken.
Für unsere Beispielseite könnte dies bedeuten, nicht das Wort ‹MEHR› zu verlinken, sondern einfach den Sendungsnamen.
Oder für einen Beispielsatz wie: ‹Hier können Sie CDs bestellen›, dürfte nicht nur das Wort ‹HIER› verlinkt werden, sondern entweder der gesamte Satz oder die beiden Worte ‹CDs bestellen›.
Aber nicht übertreiben!
Wichtig ist ausserdem, zu wissen, dass Schlagworte – sind sie denn einmal eindeutig gewählt – durchaus ausreichen. Es ist nicht nötig, Links zu erstellen mit Texten wie ‹Klicken Sie hier, um zur Startseite zu gelangen›, ‹Klicken Sie hier, um zum Kontaktformular zu gelangen› etc. Die einfachen Worte ‹Startseite› und ‹Kontakt› genügen vollkommen, zu Mal ein User (auch einer mit Screenreader) einen Link als solchen erkennt und selbst den Schluss zieht, dass ein Klick die entsprechende Seite aufruft. Kurze Linktexte sind insbesondere für Nutzer von Sprachausgaben vorteilhaft, die sich oft nicht eine lange Präambel anhören wollen, bevor ihnen der Screenreader mitteilt, wozu ein Link dienlich ist.
Böse Seiten
Link-Probleme treten natürlich längst nicht nur bei Radio RaBe auf. Als Beispiel hätten wir genau so gut Seiten nennen können wie
Gerade letzt genannte Seite, jene der Schweizerischen Eidgenossenschaft, hat erst kürzlich ‹Mehr› Links eingeführt und sich damit einen Schritt weiter von ihrer einst recht zugänglichen Präsentationsform entfernt.
Sie steht damit aber nicht alleine da und ein Nutzer des Linklisten-Tools stellt zu recht fest, dass die Navigation des Internets nichts anderes ist als Surfen Im ‹Hier› Und ‹Mehr›.
Tolle Seiten
Als gutes Beispiel weisen wir gerne auf die Seite www.jona.ch hin, welcher wir erst kürzlich das Zertifikat für getestete zugängliche Websites verliehen. Der Abschnitt mit Verwaltungsnachrichten (Sie finden ihn auf der Startseite) wandelte sich im Laufe der letzten Monate von einem ‹Mehr Meer› zu einer ganz brauchbaren übersicht (statt des Wortes ‹mehr› werden nun die Schlagzeilen der Nachrichten verlinkt).
Fazit
Wer den ersten Checkpunkt des Webtests bestehen will, tut gut daran, alle ‹hier› und ‹mehr› Links durch andere zu ersetzen, die sich voneinander unterscheiden und die ausdrücken, wohin genau sie verlinken. Die Verwendung von Linklisten-Tools ist gerade unter blinden, jedoch auch immer öfter unter normal sehenden Personen, weit verbreitet und sollte beachtet werden. Linktexte sollten nicht zu lang sein; sich wiederholende Link-Präfixe (‹klicken Sie hier um›) sollten vermieden werden.
Fortsetzung: Lost In Spacer
Nächstes Mal schauen wir die Frage an, ob ein Wort mehr sagt als tausend Bilder oder umgekehrt. Ausserdem thematisieren wir Pfeile, Knöpfe sowie den Gesamtbundesrat. bis dann sind Sie herzlich eingeladen, Ihre Kommentare zu posten.