Zum GAAD: Wie testet man, ob eine Website oder App barrierefrei ist?

Heute ist Global Accessibility Awareness Day. Der internationale Tag für digitale Barrierefreiheit ist ein Aktionstag für digitalen Zugriff und Inklusion zugunsten von über einer Milliarde Menschen mit Behinderungen. Er findet jedes Jahr am dritten Donnerstag im Mai statt. Das Ziel des GAAD ist es, alle dazu anzuregen über die digitale Barrierefreiheit nachzudenken und über sie zu sprechen, aber auch mehr über sie zu lernen. Der erste GAAD fand 2012 statt (Quelle: Wikipedia).

Wir widmen uns anlässlich des GAAD dem Thema Testing: Wie testet man, ob eine Website oder eine App barrierefrei ist bzw. wo ihre Barrieren liegen?

Das kann man doch sicher automatisch überprüfen?

Es gibt mittlerweile eine Menge Tools, die man zur Überprüfung der Barrierefreiheit einsetzen kann, vor allem für Webauftritte und Webplattformen. Es gibt kommerzielle Anbieter, die automatische Checks einer Website anbieten (Siteimprove, Axe, etc.). Und es gibt zahlreiche Browser-Erweiterungen, viele davon kostenlos, die einem diverse Probleme der Barrierefreiheit aufzeigen können (WAVE, Web Developer Toolbar, Barrierefreiheitsinspektor in Firefox, weitere im Accessibility Developer Guide, etc.).

Auch wir bei der Stiftung «Zugang für alle» setzen solche Tools ein, um gewisse Aspekte der Barrierefreiheit automatisch zu überprüfen. Es gibt beispielsweise Tools, um Kontraste zu messen, um also zu überprüfen, ob die Mindestanforderungen gemäss den Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) eingehalten werden oder nicht. Messungen haben den Vorteil, dass ihr Resultat eine Zahl ist. Es kann also direkt bestimmt werden, ob der Wert einer Anforderung genügt.

Zusammenspiel von automatischem Check mit manueller Beurteilung

Viele Anforderungen der Barrierefreiheit lassen sich sowohl automatisiert wie manuell beurteilen, diese decken aber unterschiedliche Aspekte ab und können sich gut ergänzen, was wir anhand einiger Anforderungen beispielhaft aufzeigen.

Überschriftsstrukturen

Es kann automatisiert überprüft werden, ob eine Webseite Überschriften aufweist und ob diese in der Hierarchie korrekt sind (z.B. ob Ebenen übersprungen werden, etc.). Der automatisierte Check kann hier wichtige Fehler aufdecken. Eine solche Überprüfung kann aber nicht beurteilen, ob die Inhalte richtig untergeordnet sind. Häufig tritt zum Beispiel folgender Fall auf:

  • Überschrift Ebene 1: Willkommen auf der Website von XY
    • Überschrift Ebene 2: Veranstaltungen
      • Überschrift Ebene 3: Veranstaltungen für Kinder
      • Überschrift Ebene 3: Veranstaltungen für Erwachsene
    • Überschrift Ebene 2: News
      • Überschrift Ebene 3: Kontakt
      • Überschrift Ebene 3: Adresse
      • Überschrift Ebene 3: Newsletter

Vieles ist gut gelöst:

  • Die Seite hat eine Überschrift der Ebene 1.
  • Die zwei gleichwertigen Veranstaltungskategorien (Kinder, Eltern) sind beide der Ebene 2 untergeordnet und selber mit einer Überschrift 3 formatiert.
  • «Veranstaltungen» und «News» sind auf derselben Ebene angesiedelt, was inhaltlich sinnvoll ist.

Darunter aber folgen, inhaltlich-logisch untergeordnet, die Überschriften «Kontakt», «Adresse» und «Newsletter». Diese sind inhaltlich mit Bestimmtheit nicht auf den übergeordneten Abschnitt «News» zu beziehen, sondern wohl Teil des Footers (der häufig auf allen Webseiten eines Auftritts gleich bleibt). Im Beispiel beziehen sie sich aufgrund der Titelstruktur auf «News». Inhaltlich wäre das der Kontakt für News, die Adresse für News und der Newsletter der News. Selbst wenn das in Ausnahmefällen zutreffen mag, ist eine manuelle Überprüfung notwendig. Es braucht die menschliche Urteilskraft, in welchem Verhältnis die Inhalte zueinander stehen. So hilft in diesem Fall ein Tool dabei, automatisch die Titelstruktur aufzuzeigen. Ob die Unterordnung inhaltlich-logisch korrekt ist, muss aber ein Mensch beurteilen. Diese Analyse führen bei «Zugang für alle» auch blinde und stark sehbehinderte Expert·innen durch. Diese Kombination von Expertise und Erfahrung als betroffene Person ist wertvoll.

Grafiken – informativ oder dekorativ?

Es sind auch Tools verfügbar, die für jede Grafik überprüfen, ob sie einen Alternativtext hat. Je nach Tool wird der Alternativtext anstelle von oder direkt über der Grafik angezeigt. Der automatisierte Check kann wichtige Fehler aufdecken, z.B. wenn verlinkte Grafiken gar keine Textalternative aufweisen, etc. Nun braucht es aber auch hier die Beurteilung durch einen Menschen. Ist eine Grafik aussagekräftig, inhaltstragend und/oder verlinkt, braucht sie zwingend einen Alternativtext. Ist sie aber rein dekorativ oder redundant zum übrigen Inhalt, braucht sie einen explizit leeren Alternativtext (alt=””). Es ist eine inhaltliche Beurteilung der Grafik im Kontext notwendig. Deshalb braucht es – auch hier – die Einschätzung der Situation durch einen Menschen. Ob der Inhalt treffend beschrieben ist oder nicht, kann ein Tool nicht beurteilen; ob ein Alternativtext vorhanden ist oder nicht aber schon.

Beispiel

Auf der Website der Stiftung «Zugang für alle» findet sich oben das Logo. Es ist verlinkt und führt zur Startseite. Der Alternativtext lautet deshalb alt=”Logo Stiftung Zugang für alle – zur Startseite”. Es wird einerseits verdeutlicht, dass es sich bei der Grafik um das Logo handelt. Andererseits steht auch, dass es verlinkt ist und zur Startseite führt. Hingegen ist das zweite Bild dekorativ. Es zeigt einen Wegweiser, auf dem das Wort “barrierefrei” steht vor einem blauen Himmel mit weissen Wolken. Das Bild ist nicht verlinkt. Es ist vorhanden, weil es die Seite visuell auflockert, einen Zweck erfüllt es nicht. Deshalb ist sein Alternativtext leer: alt=””.

Screenshot der Website www.access-for-all.ch mit angezeigten Alternativtexten für dekorative Grafik (leer) und verlinkte Grafik (mit korrektem Alt-Text).

Das beste beider Welten

Wie in den aufgezeigten Beispielen ist auch in vielen anderen Fällen ein Zusammenspiel von automatisierter Überprüfung mit manueller bzw. menschlicher Beurteilung ideal. Automatisierte Überprüfungen sind hilfreich und auch wir nutzen sie. Sie können immer dort eingesetzt werden, wo etwas messbar ist, wo ein Wert erfüllt werden muss – immer dann, wenn ein Automatismus das Vorhandensein oder die Abwesenheit von etwas feststellen kann. Automatisierte Tools können viele Fehler erkennen, die automatisch zweifelsfrei feststellbar sind. Umgekehrt müssen diese automatischen Prüfungen immer ergänzt werden durch manuelle Tests, weil sonst viele wichtige und für Nutzer·innen mit Behinderungen praktisch sehr relevante Barrieren übersehen werden. Tools zeigen häufig auch einen bestimmten Aspekt der Barrierefreiheit auf, z.B. die Tabreihenfolge, die Titelstruktur oder die Alternativtexte. Ob diese aber inhaltlich-logisch korrekt und sinnvoll sind, dazu braucht es vielfach das menschliche Urteilsvermögen.

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