Bei meiner täglichen Tätigkeit als Accessibility-Webtester, aber auch in meiner Privatsphäre, wenn ich mal wieder die Zeit im Internet verbringe, treffe ich immer wieder Spannendes im Web an. So ist es in letzter Zeit immer häufiger vorgekommen, dass ich Websites getestet habe, auf denen einzelne Fremdwörter in ihrer Herkunftsprache ausgezeichnet wurden. Auf dem Bildschirm selbst ist natürlich kein Unterschied zu erkennen. Ob nun «E-Mail» oder einfach nur «E-Mail» steht. Benutzer des Bildschirmleseprogramms JAWS müssten aber spätestens jetzt erkannt haben, dass das eine E-Mail in Englisch vorgelesen wurde. Dies hat damit zu tun, dass es einerseits möglich ist Webseiten so zu programmieren, dass Wörter oder ganze Textpassagen in einer anderen Sprache ausgezeichnet werden können und andererseits das Bildschirmleseprogramm JAWS diese Sprachauszeichnungen ernst nimmt und dann auch wirklich umsetzt. Vorteile haben Sprachauszeichnungen bei längeren Textabschnitten. Mühsam wird es allerdings erst dann, wenn ein einzelnes Wort in einer anderen Sprache deklariert wird. Denn bei einem Sprachwechsel fügt der Screenreader vor und nach dem Wort jeweils eine kurze Pause ein, um die andere Sprache in den Arbeitsspeicher zu laden. Dies kann den Lesefluss ziemlich beeinträchtigen.
Sprachwechsel im Web
Wer sich mit HTML gut auskennt oder in einem Besitz eines Screenreaders, wie zum Beispiel ich selbst, ist, der ist sich bestimmt mit Sprachänderungen bzw. Sprachauszeichnungen in HTML-Dokumenten vertraut. Diejenigen, die es aber noch nicht sind, werden es noch und dürfen daher ruhig weiter lesen, denn in diesem Beitrag möchte ich auf ein ach so spannendes Thema, wie bereits in der Überschrift erwähnt, eingehen.
Was ist die Schlußfolgerung? Lieber nicht auszeichnen und vertrauen, daß die eingedeutschte Version verstanden wird? Ein Hörbeispiel ohne ausgezeichneten Sprachwechsel wäre als Vergleich interessant.
Ich finde es persönlich schwierig einen Kompromiß zu finden. Einerseits wird die Auszeichnung von Richtlinien, Tests, etc. gefordert, andererseits stört es den Lesefluß.
Das hört sich tatsächlich furchtbar an. In den WCAG 2.0 ist ja nur noch die Rede davon, längere fremdsprachliche Textpassagen auszuzeichnen. Das trifft eher die Realität, weil anscheinend einige den Sprachwechsel im Screenreader ausgeschaltet haben und bei der hohen Lesegeschwindigkeit Sprachunterschiede ohnehin kaum auffallen. Außerdem ist es absurd aufwendig, fachsprachliche oder technische Texte auszuzeichnen, weil dort so viele Anglizismen vorkommen.
Ich frage mich aber: warum sind Screenreader so grottenschlecht? Warum können sie die Sprachdateien nicht zu Beginn des Dokuments laden, indem sie im DOM checken, welche Sprachen vorkommen? Warum verstehen Screenreader fast acht Jahre (!) nach Einführung von XHTML noch immer nicht einen Sprachwechsel, der mit xml:lang ausgezeichnet ist? Warum kostet dieser Mist dann so viel?!
Mit diesem Beitrag wollte ich zeigen, dass Webdesigner es gut mit Screenreader-Nutzern meinen, doch es schliesslich ein viel zu grosser und unnötiger Aufwand ist jedes einzelne Wort nach seiner Auszeichnung durchzuchecken. Dazu kommt noch, dass wir eingedeutschte Fremdwörter haben. Wir empfehlen daher nur ganze Sätze und Textabschnitte in der entsprechenden Sprache zu deklarieren. Screenreader haben inzwischen auch Fortschritte gemacht: Sie erkennen immer mehr fremdsprachige Wörter und können diese, ohne die Sprache umzustellen, korrekt betonen.
Problematisch wird’s nur, wenn Worte einen anderen Sinn ergeben, wenn man sie englisch oder deutsch ausspricht. Spontan fällt mir hier Tag ein – Tag im Sinne von Wochentag oder HTML-Tag? Das kann der beste Screenreader nicht herausfinden.
Ich habe selber keinen Screenreader und bin daher auf meine Vorstellungskraft angewiesen. Das mit den Pausen war mir bislang unbekannt. Ich versuche, Sprachwechsel immer dann auszuzeichnen, wenn ich selber beim Vorlesen der Seite in eine andere Sprache wechseln würde. Gut, manchmal vergesse ich es, aber ich versuche, dran zu denken. Manche gängige Begriffe habe ich mir dabei in ein SED Script gesteckt, das mir solche Worte, sofern alleinstehend, automatisch mit dem Sprachwechsel ergänzt. Das Gleicht gilt übrigens auch für Abkürzungen.
Und die Moral von der Geschicht? Nun, Pause hin oder her, mag sein, dass es sich nicht besonders schön flüssig anhört, aber wenn eine Markierung eines Sprachwechsels logisch richtig ist, wird sie auch vorgenommen.
Diese Problematik bei Screenreadern kenne ich schon länger und stand schon mehrmals zur Debatte.
Hierzu zwei Anmerkungen:
1. Sprachauszeichnungen sind nicht nur für Screenreader da!
Suchmaschinen, Übersetzungs-, Archivierungsprogramme und viele Programme der Zukunft, Stichwort «Semantisches Web», können Texte wesentlich bedeutungsvoller einordnen und interpretieren, wenn auch einzelne Wörter korrekt sprachlich ausgezeichnet sind.
2. Ich sehe das «Problem» ganz klar bei Herstellern von Bildschirmlesegeräten.
Wie soll ich denn als Texter wissen, welche Software nun welche Wörter automatisch erkennt und welche nicht? Das ist doch absurd!
Und wie schon Thomas vorher das Beispiel mit dem Wort «Tag» anklingen hat lassen, gibt es hier unzählige Beispiele von Wörtern, die gleich geschrieben oder ausgesprochen werden und in verschiedenen Sprachen andere Bedeutung haben.
Mir fallen hier, ohne viel nachzudenken, sofort Wörter wie «uno», «email», «vision», «tot» oder «sensibel» ein.
Dass ein menschlicher Benutzer eines Vorleseprogrammes den einen oder anderen Unterschied interpretieren kann, ist klar. Programme können das nicht oder sehr schwer.
Deswegen halte ich es für kontraproduktiv, (wieder einmal) den immer noch wenigen Entwicklern und Redakteuren, die sich um solche Dinge kümmern, quasi schlechtes Gewissen zu machen oder sie zu verunsichern.
Ich gebe Gerald dahingegen recht, dass das «Problem» bei den Herstellern von Bildschirmlesegeräten liegt. Ein Grund könnte sein, dass die meisten US-amerikanischen Hersteller diesem Verhalten keine sehr grosse Beachtung schenken, da im Englischen eigentlich keine fremdsprachigen Wörter verwendet werden (oder falls dies der Fall ist, werden sie dennoch englisch ausgesprochen – z.B. Kindergarten).
Hingegen geht es nicht darum, den Entwicklern und Redakteuren ein schlechtes Gewissen zu machen oder sie zu verunsichern, wenn sie sich die Mühe nehmen und auch einzelne Wörter mit der Sprache auszuzeichnen. Es ist auch nicht falsch, dies zu machen! Es wird aber in erster Linie blinde Menschen gemacht (zum semantischen Web ist noch ein langer Weg) und wie Selamet beschrieben hat, können viele als Fremdsprache definierte einzelne Wörter mit den aktuellen Screenreadern zu einer unangenehmen Sprachausgabe führen.
Die Forderung, dass jedes fremdsprachige Wort ausgezeichnet werden muss würde gerade bei einem Re-Design einer Website zu beträchtlichen Mehrkosten führen. Dies bei einem offensichtlich fragwürdigen Nutzen. Hier muss darauf geachtet werden, dass die Ressourcen sinnvoll eingesetzt werden.
Ich habe den Eindruck, dass man sich immer zu sehr darauf konzentriert «Fehler» auf der Serverseite im eigenen HTML-/CSS-Code zu berichtigen. Der Fehler liegt im diesen Fall aber nicht im HTML-Code, da das Auszeichnen der Sprache generell sinnvoll ist, sondern im Screenreader, der eine unnötige Pause macht. Also, muss nicht der richtige HTML-Code, sondern die unnötige Pause im Screenreader verbessert werden.
Statt immer nur auf der Serverseite nach Lösungen/Workarounds zu suchen, sollten man einfach auch mal darauf bestehen, dass die Client-Seite entsprechend korrigiert, aktualisiert wird, zumindest in den Fällen wo es sinnvoll ist und sich auf der Server-Seite nichts sinnvolles machen lässt.
tschuess
[|8:)
@markus:
«werden sie dennoch englisch ausgesprochen – z.B. Kindergarten»
Jau, jetzt wo du es sagst… Das ist wohl auch ein wesentlicher Aspekt. Im Englischen werden Fremdwörter dann auch englisch ausgesprochen. In vielen Sprachen, so auch im Deutschen, werden aber die meisten Fremdwörter auch in der ursprünglichen Sprache gesprochen.
«würde gerade bei einem Re-Design einer Website zu beträchtlichen Mehrkosten führen»
Es geht da weniger um das Re-Design denke ich, sondern um die tägliche Arbeit von Textern.
Und Textauszeichnungen sind in diesem Zusammenhang sowieso in der Praxis ein Dilemma. Hierzu hatte ich mal vor einiger Zeit meine Gedanken dazu geschrieben, hier der Link:
http://hyperkontext.at/weblog/artikel/textauszeichnungen_in_html_mit_texteditoren/
Wie bereits Markus erwähnt hat, ist es nicht falsch einzelne Wörter einer Fremdsprache auszuzeichnen. Aber da JAWS als Bildschirmleseprogramm marktführend ist, empfehlen wir als Stiftung Zugang für alle sich den Aufwand für das Deklarieren von einzelnen Wörtern in Fremdsprachen zu ersparen. Zumindest so lange, bis seitens Screenreaderhersteller JAWS diesen Bug behoben hat.
Und wenn schon fremde Sprachauszeichnungen in der Art vorgenommen werden, sollte man auch konsequent bleiben. Und genau da stelle ich auch immer wieder fest, dass ab und zu mal ein Wort vergessen geht. Es ist nach wie vor, auch wenn mit einem SED-Script gelöst, immer ein Aufwand, den man mit seinen Vor- und Nachteilen wirklich immer abwägen sollte.
@gerald
Vielen Dank für den Link. Sehr lesenswert!
Linktipp:
http://www.wai-austria.at/tipps/wechsel.php