Behinderte und Politik – warum nicht?

Die Schweiz ist eines der wenigen Länder, in welchen die Bevölkerung aktiv Politik mitgestalten kann. Wieso sollten dann nicht auch alle Bürger ihre Meinung bekunden können?
Schweizer Bundeshaus in Bern

Ein sehbehinderter Mensch, kann zwar nichts sehen, doch auch er hat eine Meinung, welche berücksichtigt werden will. Auch jemand der sehbehindert ist, kann das Internet benutzen und auch wenn er die Seite nicht sieht, kann diese mit Hilfe von Hilfsmitteln vorgelesen werden, dazu muss das HTML des Webauftritts aber barrierefrei sein.
Wir von der Stiftung «Zugang für alle» setzen uns für eine barrierefreie Technologienutzung für Menschen mit Behinderungen ein. Das ist ein zentraler Bestandteil unseres Alltags.
Im Rahmen des laufenden Praktikantenprojekts „Barrierefreiheit der Webseiten der Schweizer Bundesratsparteien“ haben wir deshalb mal die Websites der Schweizer Bundesratsparteien etwas genauer unter die Lupe genommen. Neben den Bundesratsparteien haben wir uns auch mit der  Piratenpartei auseinandergesetzt, da diese sich im Bereich Zugang im Netz stark macht, aber auch da wir an diese aufgrund ihres Images höhere Erwartungen stellen (Liquid Feedback etc.)
Dabei sind uns folgende Schwierigkeiten aufgefallen, welche die Zugänglichkeit für sehbehinderte Menschen erschwert:

  1. Man ist als Sehbehinderter nicht in der Lage bei der Partei seiner Wahl Mitglied zu werden.
  2. Die Orientierung auf der Webseite ist nicht gewährleistet.
  3. Anmeldeformular kann nicht versendet werden (Sicherheitscode nicht sichtbar).
  4. Die Tastaturbedienbarkeit ist nicht gewährleistet.

Die Bewertung der Webseiten nach Noten

Bewertung aller Parteien auf Barrierefreiheit

Partei Bewertung in Noten
SP 4.5
SVP 4.0
CVP 3.0
FDP 2.5
BDP 4.0
PPS 4.0

Exemplarisch finden Sie hier ein Video am Beispiel der Website der FDP Schweiz.

Unser grosses Anliegen an Sie

Wir appellieren an die Schweizer Parteien, sich vermehrt für eine barrierefreie Infrastruktur in der Schweiz einzusetzen, um so jedem Stimmberechtigten die Möglichkeit zu geben sich politisch zu beteiligen.

Problematischer als der Zugang zu Ihrer Webseite ist der barrierefreie Zugang zu den persönlichen Informationen, die wir von den Behörden erhalten. Solche Informationen werden nicht gerne elektronisch versendet, mit der Begründung, dass der E-Mailversand nicht sicher sei. Sehbehinderte haben aber sehr Mühe, Informationen und Formulare selbstständig korrekt zu verarbeiten, und sind auf sehende Unterstützung angewiesen, was natürlich den Datenschutz und die Privatsphäre auf keiner Weise gewährleistet.

Mit einem Scanner können wir zwar mit grösserem Aufwand die Post elektronisch einlesen, doch in der Regel geht dabei die ganze strukturierte Formatierung verloren. Da der Screen Reader weder Farben noch Schriftgrösse unterscheidet, sind keine Überschriften und Tabellen erkennbar. Abrechnungen können auf diese Weise nicht verstanden werden.

Bei der Steuerbehörde heisst es oft auf Anfrage, dass die Daten nicht elektronisch zur Verfügung stehen, obwohl sie bestimmt im System erfasst sind. Und wenn Sie doch ein PDF-Dokument versenden, dann als eingescanntes Bild, welches vom Screen Reader nicht vorgelesen werden kann. Ein weiteres Anliegen ist die Möglichkeit, selbstständig online abstimmen zu können. Dies ist für uns sehr wichtig, um Manipulationen von Dritten zu vermeiden.

Wenn Auslandschweizer elektronisch abstimmen dürfen, warum nicht auch Menschen mit Behinderungen?

Reaktion

Wir haben in einem Brief alle erwähnten Parteien über unsere Resultate informiert. Zu unserem Bedauern hat sich bis heute nur der Webmaster der SVP auf unseren Aufruf gemeldet, um die Problematik zu besprechen.

5 Kommentare zu “Behinderte und Politik – warum nicht?

  1. Dazu hätte ich zwei Fragen:

    1. Muss man im Jahr 2013 Barrierefreiheit auf Blinden- und Sehbehidnertentauglichkeit reduzieren oder sind andere Behinderte für euch unwichtig?

    2. Ist das ganze nicht eine Werbekampagne für euch, um Geld/neue Auftraggeber zu gewinnen, diese lose Auflistung sieht ehrlich gesagt nicht nach systematischem Testen aus.

  2. @Thomas
    Es tut uns Leid, dass diese Eindrücke entstanden sind. Beim obenstehenden Blogbeitrag handelt es sich um die Resultate eines Praktikumsprojekts. Unsere zwei Praktikanten haben sich sehr engagiert gezeigt, haben das Thema selbst gewählt. Ein Praktikant ist selber blind, einer leidet unter körperlichen Einschränkungen. Das Thema Schweizer Bundersatsparteien haben die beiden selbständig entwickelt, weil Ihnen das Recht auf politische Mitsprache ein persönliches Anliegen ist.

    «Zugang für alle» ist eine sich selbst finanzierende nicht profitorientierte Stiftung, mit dem Stiftungszweck, Barrierefreiheit im Internet zu fördern. Mit jedem neuen Auftrag, und jeder neuen barrierefreien Website, kommt die Stiftung diesem Ziel einen kleinen Schritt näher.

  3. Wenn wir in Deutschland mal so weit wären wie ihr! Hier können ja noch nicht einmal die Deutschen im Ausland elektronisch abstimmen und soweit, dass Sehbehinderte elektronisch abstimmen können wird es wohl in absehbarer Zeit hier leider auch nicht kommen. Bei euch wird wenigstens darüber diskutiert.

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