Webtest 1×1: Der direkte Sprung zur Tastatur

Was Sprunglinks mit dem Lied "Gump" von Züri West zu tun haben und welche Problematiken dabei häufig auftreten, beschreibt dieser Beitrag.
Person kopfüber in der Luft

Kennen Sie dieses Stück?:


«Un i ha se niemee gsee sit sie zerschtemau isch gschprunge,
Siet sie zerschtemau isch gschprunge han i nümme vor ‹re ghört;
Ii ha se nime gsee sit sie zerschtemau isch gschprunge
Un i ha nümme vo re ghört
Sit sie vo Brügge schpringt wie gschtört.»

Das Musikstück mit diesem Refrain heisst «Gump (i ha se niemee gsee)». Als es im Jahre 1991 von den ach so populären Züri West eingespielt wurde, erlangte es die für die Band übliche Berühmtheit. Der besungenen Protagonistin scheint das eifrige «Von-Brücken-Springen» nicht zu bekommen, jedenfalls im Hinblick auf den regelmässigen Kontakt zum Sänger.

Der «Sprung» ist auch in der Welt von HTML und Accessibility zunehmend von Bedeutung. Auch hier wird fleissig – um nicht zu sagen «wie gschtört» – gesprungen. Natürlich ist jeder Link an sich schon eine Art Sprung. Es gibt aber auch noch speziell die so genannten Sprunglinks, mit welchen sich dieser Artikel befasst. Links, die es erlauben, einen bestimmten Bereich auf einer Internetseite anzuspringen – und zwar «DIREKT», ganz im Vergleich zu … ja, zu was eigentlich?

Los geht’s

Der wohl häufigste Sprunglink im Internet ist derjenige, welcher einen Leser «nach oben» oder «zum Seitenanfang» bringt – vielfach wird er auch durch ein Pfeilsymbol repräsentiert. Der Link ist vor allem in langen Dokumenten und in solchen mit vielen Unterkapiteln nützlich, da er mühsames Auf- und Abscrollen unnötig macht.

Im Accessibility-Bereich haben Sprunglinks ihre Wichtigkeit, weil es Menschen gibt, welche gar nicht oder nur mit Mühe scrollen können – man denke nur an jene, die ihren Computer-Alltag ohne Maus verbringen. Sehr wichtig werden die Sprunglinks bei blinden und stark sehbehinderten Menschen, welche eine Internetseite oft nur Zeile für Zeile lesen können. Für diese Zielgruppe werden Sprunglinks häufig eingesetzt, um schnell zum Bereich der Seitennavigation oder in den Haupt-Text zu springen. Sind Sprunglinks richtig in die Seite eingebaut, können sie einem blinden Anwender ermöglichen, schneller mit der Seite zu arbeiten und sich besser darauf zu Recht zu finden. Dies gilt umso mehr, wenn den Sprunglinks Tastenkombinationen (Accesskeys) zugeordnet werden, mit welchen sie sich von quasi jedem Ord der Seite aus erreichen lassen. Da man heutzutage auch unsichtbare Sprunglinks erstellen kann, welche einem sehenden Seitenbesucher nicht angezeigt werden, nimmt das visuelle Erscheinungsbild keinen Schaden an.

Was ist das Problem?

Sprunglinks (oft werden sie auch Ankerlinks genannt) funktionieren aber nur dann, wenn für sie ein richtig definiertes Linkziel, ein Anker, vorhanden ist. Es kommt nicht selten vor, dass dieses Linkziel nicht oder nicht korrekt definiert ist. Was die Links selbst angeht, stösst man oft auf fragwürdige Linktexte, welche das Linkziel zu ausführlich oder zu wage beschreiben. Auch beim Zuordnen von Accesskeys können einige Fehler gemacht werden, wie etwa das Mehrfache Zuweisen der gleichen Tastenkombination.

Was im Test steht

In unseren Webtests befassen wir uns ausführlich mit Sprunglinks und Accesskeys, indem wir die folgenden Fragen zu beantworten versuchen:

  • Gibt es Links, um wiederkehrende Elemente auf den Seiten zu überspringen?
  • Sind Accesskeys vorhanden, um bestimmte Links und Felder anzuspringen?
  • Sind die Accesskeys als Zahlen und nicht als Buchstaben-Kombination definiert?
  • Sind die Accesskeys im Bereich von Alt + 0 bis Alt + 9 definiert?
  • Funktionieren die Accesskeys auch alle?

Dieser Test wird normalerweise in zwei Teile gegliedert. Wer den ersten Teil bestehen will, muss grundsätzlich dafür sorgen, dass einige wichtige Sprunglinks auf der Seite vorhanden und funktionsfähig sind. Wer im zweiten Teil, jenem, der sich mit Accesskeys auseinander setzt, gut abschneiden will, muss Accesskeys nicht nur in wichtige Links einbauen, sondern diese auch korrekt definieren. Wie aus den Testfragen schon hervor geht, prüfen wir spezifisch, ob ausschliesslich numerische Accesskeys vergeben wurden. Natürlich müssen Accesskeys nicht zwingend mit Sprunglinks verknüpft werden. Sie können auch Formularfeldern oder anderen Elementen in einer HTML-Seite zugeordnet sein.
Wie man merkt, haben wir es hier mit einer breiten Thematik zu tun. Entsprechend breit ist die Auswahl an Accessibility-Missständen, die wir beim Testen antreffen. Schauen wir uns im Folgenden nur einige der häufigsten an:

Wohin springen? und wie?

«Wie beschreibt man einen Link?» – Diese Frage stellten wir bereits im Kapitel zu Alt-Texten von Grafiken. Es mag seltsam klingen, aber auch im Zusammenhang mit Sprunglinks empfehlen wir den Webdesignern oft etwas Denkarbeit. Grund dafür sind Sprunglinks, wie man sie oft von Seiten aus den USA her kennt. Sie haben Linktexte wie «Skip Navigation», also «Navigationsbereich überspringen». Der Linktext mag aussagen, was übersprungen ist. Aber sagt er auch klar, wohin er führt? Oder anders gefragt: Wenn Sie auf einem Sprungbrett stehen und nicht wissen, ob Sie den Sprung wagen sollen oder nicht, interessiert Sie dann eher der Weg (die Luft, durch welche Sie fallen) oder das Ziel (ob Sie im Wasser, in Schaum, auf Stein oder Gold landen)? Also kurz gesagt: Linktexte in der Form von «XYZ Überspringen» empfehlen wir eher nicht. Vorgezogen werden Linktexte wie «Zum Haupttext» oder «Zum Fussbereich».

Viele Sprunglinktexte lösen das eben beschriebene Problem, indem sie ein weiteres schaffen. Es sind jene aus dem deutschen Sprachraum bekannten Linktexte in der Form «Direkt zum Hauptmenü» oder «direkter Link zur Startseite». Tatsächlich wird hier sehr lobenswert auf das Linkziel aufmerksam gemacht. Aber muss man denn unbedingt mitteilen, dass das Linkziel «Direkt» erreicht wird? Wie schon einige Male erklärt, sind gerade behinderte Menschen, unter ihnen vor allem Blinde oder Sehbehinderte, dankbar für kurze, prägnante und sich voneinander unterscheidendeLinktexte. Beginnen mehrere davon mit einem Präfix wie «Direkter Link Zu», ist das ärgerlich: Es dauert länger, um zu merken, ob ein Link relevant ist oder nicht. In solchen Fällen stellen wir jeweils die beinahe philosophische Frage: Wie, wenn nicht «DIREKT», kann ein Ziel denn verlinkt sein? Oder, um auf das vorige Beispiel zurück zu kommen: Wie, wenn nicht direkt, kann jemand sonst noch von einem Sprungbrett springen?
Kurz gesagt: Das Wort «direkt» scheint offensichtlich überflüssig zu sein. «Zum Hauptmenü» oder «Startseite» sind Linktexte, welche genau so aussagekräftig sind und erst noch den Anforderungen an die Barrierefreiheit besser gerecht werden.

Der Sprung ins Leere

Es mag logisch klingen und sollte an dieser Stelle eigentlich gar nicht gesagt werden müssen, aber wir finden sehr regelmässig Sprunglinks, deren anzuspringendes Linkziel schlicht nicht existiert. Häufig treffen wir diese «Sprünge ins Leere» an, wenn ein Seiten-Redesign nur halbwegs durchgeführt wurde. Oft werden dann die zu den Sprunglinks gehörenden Anker nicht korrekt aktualisiert oder gar nicht erst eingebaut.

Noch extremer ist es, wenn das Linkziel, welches ein Ankerlink verspricht, auf der Seite überhaupt nicht existiert. So treffen wir beispielsweise auf Seiten mit einem Sprunglink «Zum Untermenü», obgleich die Seite nur ein «Hauptmenü» aufweist. Meistens besteht in diesen Fällen das Problem darin, dass für sämtliche Seiten ein und dieselbe Liste von Sprunglinks als Vorlage verwendet wurde.

In beiden Fällen ist das Resultat ein Ankerlink, welcher nicht funktioniert und ein Fehler, welcher sich leicht korrigieren lässt.

Geht’s auch ohne? Für jene, die auf die Maus verzichten

Wie erwähnt, empfehlen wir gerne, die Ankerlinks mit Accesskeys, also Tastenkombinationen, zu versehen. Dies geschieht durch Hinzufügen des 'Accesskey=""' Attributes zum jeweiligen Link. User des Internet Explorer Browsers können dann durch Drücken der ‹Alt›-Taste gemeinsam mit der im Attribut definierten Taste zum Link springen und müssen ihn dann nur noch mit der ‹Return› Taste auslösen. Bei Firefox nimmt man zur ‹Alt›- noch die ‹Shift›-Taste hinzu.

Der Vorteil liegt auf der Hand: Weiss man die Tastenkombination auswendig, erreicht man den Link von überall her auf einer Website.

Da die meisten Betriebssysteme und Internetbrowser schon mit einer ganzen Palette an vordefinierten Tastenkombinationen ausgestattet sind, besteht leider in Zusammenhang mit selbst definierten Accesskeys immer die Gefahr eines Tastaturkonfliktes. Insbesondere im Fall des Internet Explorers, dessen Menüs sich mit ‹Alt-Plus-Buchstaben›-Kombinationen aufrufen lassen, ist das Problem kaum zu vermeiden. Dies ist denn auch der Grund, warum wir bei unseren Tests wärmstens empfehlen, Zahlen statt Buchstaben für Accesskeys einzusetzen, da diese noch kaum genutzt werden.

Hier werden nun aber auch die Nachteile von Accesskeys deutlich: Da sie sich in jeder aufgerufenen HTML-Datei individuell definieren lassen und es keinen offiziellen Standard zu ihrer Vergabe gibt, sieht sich der Tastatur-Anwender einer Vielzahl von verschiedenen Zuordnungen gegenüber, welche alle auswendig zu lernen schlicht ein Ding der Unmöglichkeit darstellt.

Daneben finden sich natürlich auch bei den Accesskeys immer wieder Programmier- oder Denkfehler: So trifft man ab und zu auf Websites, welche sämtlichen Links ein- und dieselbe Kurztaste zugeordnet haben. Andere Webdesigner, welche im Bezug auf die Vergabe von Accesskeys sehr grosszügig sind, weisen nicht nur die Accesskeys ‹alt’+’0› bis ‹Alt’+’9› zu, sondern zählen danach weiter, also mit ‹alt’+’10›, ‹Alt’+’11› und so weiter – mal abgesehen davon, dass diese Tastenkombinationen in den heutigen Browsern schlicht nicht funktionieren, stellt sich die Frage, wer denn für eine einzige Seite mehr als zehn Tastenkombinationen auswendig lernen wird.

Übrigens: Wer die Tastenkombinationen einzig für User von Screenreader-Software einbaut, braucht in den Beschreibungen der mit Accesskeys ausgestatteten Links nicht noch die Tastenkombination zu erwähnen, da der Screenreader diese selbständig erkennt und einen entsprechenden Hinweis ausgibt. Zu empfehlen wäre allenfalls, eine zusammenfassende Liste aller verfügbaren Accesskeys für die jeweilige Seite zu erstellen und diese an einer einfach zu findenden Stelle anzubieten.

Referenzen – diese machen es richtig

Die SelfHTML-Seite ist nach wie vor eine der ausführlichsten und aktuellsten Dokumentationen zum HTML-Code, unter dessen Anwendung Webseiten programmiert werden. Statt Ihnen hier nun einige schlecht dokumentierte Beispiele zu präsentieren, verweise ich gerne auf die dort vorhandene Seite über Anker und auf den Abschnitt zu Accesskeys.

Vor einiger Zeit haben wir uns in der Stiftung Zugang für Alle intensiv mit Accesskeys auseinander gesetzt und versucht, eine Empfehlung für deren Belegung aufzustellen. Wir ermutigen alle Webdesigner, dieser Empfehlung zu folgen, um dem Chaos der unterschiedlichen Accesskey-Zuordnung wenigstens ansatzweise Herr zu werden.

Alle in diesem Abschnitt genannten Seiten wenden Ankerlinks und Accesskeys aktiv an. Falls Sie also angewandte Code-Beispiele suchen, schauen Sie sich die entsprechenden Quelltexte genau an….

Ach ja: Und ich gebe Ihnen auch noch den Link zum Liedtext von Züri West, falls Sie sich für die volle Version interessieren.

und wie man’s nicht machen muss…

Wer auf der Suche ist nach den erwähnten etwas zu ausführlich beschriebenen Sprunglinks, erhält immer eine aktuelle Liste unter Verwendung der Google Suche. Gibt man dort etwa «direkt zur Navigation» ein, trifft man heute auf Seiten wie jene der Suva», Skitest.net oder des St. Galler Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamtes.

Fazit

Sprunglinks, insbesondere verknüpft mit Accesskeys, sind eine weitere Möglichkeit, insbesondere vielen behinderten Menschen die Navigation auf Webseiten zu erleichtern. Wichtig ist, dafür zu sorgen, dass die Sprunglinks aussagekräftige, kurze Beschreibungen und einen gültigen Anker zum Anspringen haben. Falls Accesskeys eingesetzt werden, sollten diese möglichst nicht mit bereits vorhandenen Tastenkombinationen in Konflikt stehen und, da bei ihrer Programmierung oft Fehler gemacht werden, auf korrekte Funktionsweise hin getestet worden sein.

Fortsetzung- Die Stern-Stunde: Zwingende Angabe, schwere Aufgabe

Mit Seitenbesuchern zu interagieren ist etwas tolles. Nur stellen die Regeln der Accessibility auch an Formulare einige Bedingungen. Reicht es, ein Formular mit Sternen zu Schmücken? Oder haben dadurch nicht alle die gleiche Bescherung?

Lesen Sie auch das bisherige 1×1

Vergessen Sie nicht, Ihre Kommentare unten im Formular zu hinterlassen! Wir hören gerne von Ihnen, ob Sie nun von Brücken springen «wie gschtört» oder nicht.

Ein Kommentar zu “Webtest 1×1: Der direkte Sprung zur Tastatur

  1. Interessanter Grundsatzartikel. Danke dafür.

    Ich habe mich lange mit der Umsetzung herumgeschlagen. Denn so einfach, wie es sich schreibt, ist es in der Praxis nicht, einen Anker anzuspringen. Wie üblich will der Internet Explorer wieder mal eine Sonderbehandlung, um den Sprung auszuführen. Und ganz interessant wird es bei Browsern, die auf der WebKIT Engine basieren: Safari und Co.

    Meine technische Lösung beschreibe ich auf folgender Seite:
    http://webdesign.weisshart.de/skiplinks.php

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